Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Irgendjemand hatte die Strahler in den Eichen angeschaltet, sodass der Dunst, der von den Blättern stob, wie schillernder Rauch wirkte.
Sie lehnte sich an den Zedernpfosten an der einen Ecke des Schuppens und trank einen Schluck aus ihrem Ginglas.
»Wie heißt du?«, sagte sie.
»Ronnie«, sagte der Mann, der mit einer Hand angekettet war. »Arbeitest du hier?«
»Wenn ich Lust dazu habe. Es gehört meinem Vater.«
»Bin beeindruckt«, erwiderte er.
Das ist also der berühmte Ronnie Cross, dachte sie. Er saß auf dem Zementboden, barfuß, das eine Knie hochgezogen. Er hatte breite Schultern, kräftige Arme, kurz geschnittene rabenschwarze Haare wie ein Indianer, Lippen, die ein wenig an klassische griechische Statuen erinnerten, stramme Muskeln und eine Haut wie glattes, bräunlich verfärbtes Gestein.
»Was haben die mit dir vor?«, fragte sie.
»Mich auf zwei gerichtliche Verfügungen hin nach San Antonio bringen.«
Er verzog keine Miene, schaute sie mit seinen braunen Augen ohne die geringste Gemütsregung an. Aber es war vor allem sein Mund, der ihr zu schaffen machte. Er stand leicht offen, als hielte er die ganze Welt für einen riesigen um seiner selbst willen ersonnenen Schwindel, auf den nur ein Dummkopf hereinfiel.
»Du hältst dich für einen großen Macker, was?«, sagte sie.
»Ich bin hier angekettet. Womöglich komm ich ins Countygefängnis. Die Jungs schwärzen mich bestimmt bei jedem Kautionsvermittler an, sodass ich bis zum Gerichtstermin im Kahn hocken muss. Du trinkst Wodka oder Gin mit Kirschen. Du kommst dir vielleicht wie was Besseres vor, aber ich bin bestimmt kein großer Macker.«
»Willst du eine Zigarette?«
»Ich rauch nix mehr.«
»Nicht mehr.«
»Was?«
»›Nicht mehr‹, heißt es richtig. Du bist viel schlauer, als du tust. Bist du bloß hergekommen, um Jeff Deitrich Gute Nacht zu sagen?«
Er steckte sich den kleinen Finger ins Ohr und ließ das Wasser herauslaufen.
»Tust du mir einen Gefallen?«, sagte er. »Ich hab meine Autoschlüssel unters Armaturenbrett gelegt. Nimm sie an dich, bis ich jemand bei dir vorbeischicke. Sonst schlachten die hiesigen Weißfische mein Auto aus, oder die zwei Ärsche vom County lassen es abschleppen.«
»Ich habe gehört, du seist ein harter Hund«, sagte sie.
»Mein Freund ist ’n Schluckspecht. Aber wenn du die Schlüssel an dich nimmst, findet er schon zu dir.«
»Wieso vertraust du dein Auto einem Schluckspecht an?«
»Weil hier in der Gegend die Jagd auf Purple Hearts freigegeben ist, falls es dir noch keiner erzählt hat.«
»Ich denke mal drüber nach, ob ich deine Schlüssel an mich nehme«, sagte sie.
Sie stellte ihr Glas auf einen Stapel zersägter Mesquitestrünke und ging in den Schatten, fort aus dem Licht, das aus den Eichen fiel. Sie entdeckte die Axt, die mit dem Griff nach oben am Eckpfosten lehnte. Holzfasern und Späne klebten am Blatt, doch die Schneide war frisch gewetzt und abgezogen und schimmerte wie gegossener Zinn.
Sie ergriff sie mit beiden Händen und ging wieder in den Lichtschein. Ihr Schatten fiel auf Ronnie Cross’ Gesicht.
»Was ist das Schlimmste, das dir je passiert ist?«, fragte sie.
»Sich mit Leuten abgeben müssen, die den Arsch offen haben.«
Lächelnd verzog sie einen Mundwinkel.
»Hast du’s schon mal mit ’ner Weißen probiert?«, sagte sie.
»Ich steh nur auf eine Frau. Esmeralda heißt sie.«
»Streck die rechte Hand aus und mach die Augen zu.«
Sie musterte sein Gesicht, die dunklen, düsteren Augen, die sie forschend anstarrten, als könnte er ihre Gedanken lesen. Dann fiel sein Blick auf ihren Mund, und er verzog geringschätzig die Lippen. Sie spürte, wie ihr das Blut zu Kopfe stieg, wie es in ihren Schenkeln kribbelte. Ihre Augen funkelten vor Wut, als sie zur Axt griff.
»Leg deine Hand auf den Hackstock«, sagte sie.
Er zögerte einen Moment lang, hob dann die rechte Hand und legte sie mit gespreizten Fingern auf den Block, bis sich die an dem U-Bolzen angeschlossene Kette spannte, schaute sie unverwandt an. Die Adern an seinem Unterarm traten rotblau und dick wie Strohhalme hervor.
Unsicher fasste sie mit beiden Händen um den Axtgriff, holte über der rechten Schulter aus und ließ die Klinge herabsausen, auf sein Gesicht zu.
Sie spürte, wie die scharfe Schneide durch die Eisenglieder schlug und im Holz stecken blieb.
Im nächsten Moment war er auf den Beinen. Die Kettenglieder hingen wie ein zerrissenes Armband von seiner linken Hand, als er unmittelbar
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