Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Menstruation einen Monat später wieder eintrat, setzte sie sich in ihrer Studentenbude hin, nahm einen Block aus dem Ritz Carlton und schrieb dem Kommandeur ihres Liebhabers einen Brief, in dem sie ihm die Beziehung in allen Einzelheiten schilderte, vor allem aber die abfälligen Bemerkungen ihres Liebhabers über seine Frau in Vermont erwähnte, die er unter anderem als »Ho Tschi-Minhs Antwort auf Minnie Maus« bezeichnet hatte. Sie schickte das Original an den Luftwaffenstützpunkt und zwei Kopien an die Frau und den Schwiegervater, der Bürgermeister der Ortschaft war, in der sie lebten.
Rita trank einen Schluck Gin-Fizz, betrachtete die Abdrücke, die ihre Fingerspitzen auf dem feuchten Glas hinterließen. Der Gin wärmte sie und ließ sie zugleich frösteln, genau wie die Umgebung, in der sie sich befand. Die Klimaanlage war so niedrig eingestellt, dass sich ihr Atem am Fenster niederschlug, aber draußen, im grünen Zwielicht und in den Regenschleiern, wiegte sich eine Palme im lauen Wind. Sie trank einen weiteren Schluck, biss auf die kandierte Kirsche in dem zerstoßenen Eis und dachte daran, dass sie sich in einem klimatisierten, abgeschotteten Raum befand und dennoch an der Außenwelt teilnahm, auch wenn sie vor deren Unbilden geschützt war. In solchen Momenten, in dieser Umgebung, meinte sie wieder das gleiche überlegene Glücksgefühl zu verspüren, das sie genossen hatte, als sie mit ihrem Luftwaffenoffizier im Bett gelegen und die unverhohlene Gier in seinen Augen gesehen hatte.
Doch die Abfuhr, die er ihr erteilt hatte, machte ihr derzeit nicht so sehr zu schaffen. Es ging vielmehr um Jeff Deitrich. Um ihn und immer wieder um ihn, und darum, dass sie von zwei Männern nacheinander benutzt und abserviert worden war und der zweite ihr vor aller Augen Pommes mit Ketchup ins Gesicht und in die Haare geschmiert hatte.
Sie trank ihren Gin-Fizz aus und bestellte sich noch einen, kniff den Mund zusammen, dass ihr Kinn spitz wie ein Sporn vorstand.
Sie hörte den aufröhrenden Zwillingsauspuff, das aufkreischende Getriebe, noch ehe sie das Auto sah. Dann kam es aus Richtung Norden angerast, schoss an einer Reihe anderer Autos auf der Gegenspur vorbei – ein aufgemotzter Mercury, den sie schon mal gesehen hatte, mit ineinander züngelnden rotblauen Flammen auf der braunen Haube, an dessen hinterer Stoßstange ein Streifenwagen klebte.
Ein zweiter Streifenwagen, der von Süden kam, stellte sich auf der zweispurigen Asphaltstraße quer und versperrte dem Mercury den Fluchtweg.
Der Fahrer des Mercury schaltete runter, trat Kupplung und Bremse durch, bog unverhofft auf den Parkplatz des Restaurants ein und stieg dann wieder aufs Gas. Doch er verlor die Herrschaft über den Wagen, schlitterte in ein matschiges Feld, das zu den Klippen über dem Fluss abfiel, wühlte sich in einem Schwall braunen Wassers, der quer über die Fenster spritzte, bis zur Achse in dem lehmigen Brei fest und schleuderte mit den Hinterrädern Erd- und Grasfontänen in die Luft.
Dann starb der Motor ab, und die Haube dampfte im Regen. Der Fahrer, der ohne Hemd war, legte den Kopf auf die verschränkten Arme und blieb sitzen, bis ihn zwei Deputys aus dem Auto zogen.
Rita stand auf der mit Steinplatten belegten hinteren Veranda, das Glas in der Hand, und sah zu, wie die Deputys dem Fahrer des Mercury Handschellen anlegten und ihn die Böschung hinauf zu dem offenen Schuppen brachten, in dem ihr Vater etliche Ster Hickory- und Mesquiteholz für den Hausgrill gestapelt hatte. Die Deputys hatten klatschnasse Haare und Uniformen. Sie drängten sich ebenfalls unter das Dach, gaben es dann auf und hängten ihren Häftling an einen eisernen U-Bolzen, der seitlich in den mit einer Kette am Betonboden verankerten Hackstock gehämmert war.
Die Deputys nahmen ihre Hüte ab, als sie sich an sie wandten.
»Was dagegen, wenn wir uns drinnen kurz waschen, Mrs. Summers?«, sagte der eine.
Doch sie wusste, dass sie noch aus einem anderen Grund hinein wollten. Sie bekamen jedes Mal freie Kost, wenn sie im Restaurant vorbeischauten.
»Was hat er gemacht?«, fragte sie.
»Ach, das ist bloß ein übler mexikanischer Strolch, der dem jungen Deitrich Ärger machen will. Außerdem hat er in San Antonio ein halbes Dutzend Verkehrsverstöße auf dem Kerbholz«, sagte der Deputy.
Drinnen gaben die Deputys bei einem Kellner ihre Bestellung auf und gingen auf die Herrentoilette. Rita hielt sich eine Zeitung über den Kopf und ging zu dem Schuppen.
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