Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
hinter der Hütte stehen blieb, das Gesicht im Halbschatten.
»Für ’ne Weiße bist du große Klasse«, sagte er.
Dann rannte er barfuß die Böschung hinab, mitten durch den Regen und das schillernde Licht, das sich auf seinem Körper spiegelte. Sie schaute ihm hinterher, als er auf den Fluss zusprintete, immer schneller wurde und wie ein riesiger Fisch mit stählerner Haut mitten in einen Regenring hechtete.
30
Ronnie Cruise rief mich einen Tag später in meiner Kanzlei an.
»Ich will Ihnen klarmachen, was passieren kann, wenn man jemanden verpfeift, Mr. Holland«, sagte er. »Es geht um die zwei County-Ärsche, die mich geschnappt haben. Einer von denen hat in einer Nebenstraße einen Schwarzen abgeknallt und den Leuten erzählt, er hätte einen Fluchtversuch unternommen.«
»Ich habe Marvin Pomroy erzählt, dass Sie womöglich ein paar von Jeffs Freunden aus dem Verkehr ziehen wollen. Tut mir Leid, dass er diese Jungs auf Sie gehetzt hat«, erwiderte ich.
»Was haben Sie denn gedacht, was passiert? ... Wo sind Lucas und Essie?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Ein Freund hat Cholos Mercury abgeholt und wollte ihn Essie bringen. Aber als ich bei ihnen vorbeigefahren bin, waren sie nicht da, und der Mercury auch nicht.«
»Sind Sie in der Stadt?«, sagte ich.
»Machen Sie sich mal keine Gedanken drüber, wo ich bin.« Er stockte, schloss die Hand quietschend um den Plastikhörer. »Die sind in Ihrem Haus, nicht wahr?«
»Bringen Sie Cholos Auto nicht her.«
»Sie hören mir einfach nicht zu. Der Typ, der Cholos Auto fährt, ist ein Freund, aber er hat nix als Matsch in der Birne. Hören Sie mir jetzt zu, Mr. Holland? Sie haben es vermasselt.«
»Kommen Sie zu meinem Haus«, sagte ich.
Aber er hatte bereits aufgelegt.
Warum hatte ich ihn gebeten, zu meinem Haus zu kommen? Was wollte ich ihm sagen? Ich war mir selber nicht ganz sicher.
An diesem Nachmittag begann ich mit dem Bau des Tors aus Rosenspalieren und einem Querbalken an der Auffahrt, das mein Vater hatte errichten wollen, bevor er an der Matagorda Bay umgekommen war. Der Himmel im Westen war lila und rot, die Hügel leuchteten nach dem Regen letzte Nacht in einem noch tieferen Grün, und graue Wasserpfützen standen auf dem Kies der Zufahrt. Ich drehte den Erdbohrer in den Rasen und häufte den Aushub im Gras auf, versuchte mich die ganze Zeit auf einen unangenehmen Gedanken zu konzentrieren, der mir immer wieder durch den Kopf ging, ein Gedanke, der etwas mit der Voraussagbarkeit menschlichen Verhaltens zu tun hatte.
Deswegen hatte ich mit Ronnie Cruise reden wollen. Er fiel nicht so leicht auf Hirngespinste herein und mit Sicherheit nicht auf die Täuschungsmanöver seiner Feinde.
L.Q. Navarro stand im Schatten, den grauen Hut tief in die Stirn geschoben, einen goldenen Zahnstocher im Mund.
»Macht dir dieser verzogene Kotzbrocken von Jeff Deitrich zu schaffen? Dem seine Drohungen ziehen nicht. Er kennt keine Biker. Keine echten jedenfalls« , sagte L.Q.
»Er hat den Stoff, den sie den Jamaikanern abgenommen haben. Er wird damit Profis anheuern. Die Deitrichs gehen kein Risiko ein. Die lassen eine Vendetta nicht von Amateuren austragen, L.Q.« , sagte ich.
»Ich glaube, du hast es kapiert, mein Guter. Fragt sich nur, wer der Drecksack ist, den er anheuert.«
»Der Söldner, dieser Fletcher Grinnel?«
»Grinnel arbeitet für den Alten. Bau ’ne Schrotflinte mit Stolperdraht draußen beim Haus von deinem Jungen auf. Mal schaun, wessen Einzelteile du auf dem Hof einsammelst.«
L.Q. grinste, als er das sagte, und erwartete keine Antwort.
Aber er verhehlte auch nicht, was er wirklich von mir wollte. Er zog den eigens für ihn angefertigten Revolver mit Hahn- und Abzugsspannung aus dem Holster, wirbelte ihn in der Hand herum, erst auf sich zu, dann in entgegengesetzter Richtung, und ließ die gelben Elfenbeingriffschalen an seinen Daumenballen klatschen.
»Dein Urgroßpapa Sam konnte sich in vollem Galopp an den Vorderzwiesel hängen und wie ein Indianer unter dem Hals des Pferdes durchschießen« , sagte L.Q. »Du bist ein ebenso guter Schütze wie er. So eine Gabe darf man nicht vergeuden.«
Ich versenkte zwei glatt gehobelte, viereinhalb Meter hohe Pfosten in den Löchern, die ich ausgehoben hatte, schaufelte dann zum Abstützen eine Schubkarre voller Kies um die Füße, stampfte ihn mit einer schweren Eisenstange fest und kippte noch mehr Steine dazu. Ich schwitzte, atmete schwer, und der Wind strich über mein nasses
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