Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
und setzte mich auf die Schaukel. Sie hockte sich aufs Geländer und aß das Eis, ohne ein Wort zu sagen. Die Cannas, die auf ihrem Blumenbeet im Schatten standen, wirkten steif und abweisend, waren voller funkelnder Wassertropfen von der Sprinkleranlage.
»Warum bist du so schweigsam?«, fragte ich.
»Diese Verhandlung heute? Du hast sämtliche Anwesenden absolut davon überzeugt, dass Wilbur auf ein riesiges Vorkommen gestoßen ist. Meiner Meinung nach findet der nicht mal an der Tankstelle Öl«, sagte sie.
»Habgierige Menschen hören nicht auf einen«, sagte ich.
»Was hast du vor?«
»Ich bin gar nicht so schwierig, Temple.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. Ich schwang mich aus der Schaukel und setzte mich zu ihr aufs Geländer. Spürte ihre Schulter und die Hüfte. Sie aß weiter, scharrte mit dem Löffel leise in der Schale herum.
»Hast du Lust, ins Kino zu gehen?«, fragte ich.
Sie antwortete nicht.
»Ist dein Vater zu Hause?«, fragte ich.
»Wieso?«
»Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, ins Kino zu gehen. Ich meine, wenn er allein klarkommt.«
»Er ist bei seiner Schwester. Sie essen einmal die Woche gemeinsam zu Abend und hocken dann bis spätnachts vor dem Fernseher.« Sie blickte zu mir auf.
»Aha«, sagte ich. Ich fasste sie mit zwei Fingern am Unterarm und legte ihr die andere Hand auf die Schulter. Sie öffnete den Mund, und er wirkte im Halbschatten rot und verletzlich.
Dann blickte sie zu Boden und senkte den Kopf.
»Gegen einen Film hab ich nichts einzuwenden. Ich muss mich aber umziehen. Kannst du hier draußen ein paar Minuten auf mich warten?«, sagte sie.
Rita Summers saß an einem Fensterplatz im Restaurant über dem Fluss, das ihrem Vater gehörte. Es war eins von insgesamt vier, die er in Texas und New Mexico besaß, und manchmal ging sie gern allein hierher, nahm im Salon einen Drink zu sich, betrachtete die Boote auf dem Fluss und dachte über ihr Dasein nach und über die Männer, die Jungs genau genommen, die kamen und ohne viel Aufhebens wieder gingen, über all die flüchtigen Beziehungen, die sich am Ende immer als leere Versprechungen entpuppt hatten.
Irgendwann einmal hatte sie geglaubt, dass es in Zukunft immer nur bergauf ginge, dass ihr von Haus aus jeder Erfolg im Leben beschieden wäre, vorausgesetzt, man tat, was von einem erwartet wurde. Man schloss die Highschool ab, mit allem Brimborium, das dazugehörte, als ob das eine große Leistung wäre, schrieb sich dann auf der Universität in Austin ein, nahm sich eine Bude im Studentinnenwohnheim, ging mit den richtigen Jungs aus, legte sich die entsprechenden Umgangsformen zu und lernte allmählich, wem man aus dem Weg gehen und wen man sich warm halten musste, und eines Tages wurde man von seinem Vater dem Bräutigam zugeführt, und man sah den stolzen, liebevollen Blick in seinen Augen, der einem bestätigte, dass man alles erreicht hatte, was einem das Leben zu bieten hatte.
Aber sie hatte das zweite Jahr auf der Universität nicht mehr zu Ende gebracht. Ihre Professoren waren langweilig, die Lehrstoffe öde und die männlichen Studenten, mit denen sie ausging, albern und unreif. Sie ließ sich mit einem Offizier der Air Force ein, der aus einer alteingesessenen und vermögenden Familie aus Boston stammte, obwohl sie wusste, dass er eine Frau hatte, eine Berkeley-Absolventin, die in Vermont auf ihn wartete. Sie trafen sich am Wochenende im Ritz Carlton in Houston und im Four Seasons in Dallas. Die Härte seines Leibes, wenn er in sie eindrang, die Muskelstränge an seinem Rücken, die sich unter ihren Fingern strafften, erregten sie und erfüllten sie zugleich mit einem Gefühl der Macht, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. Ihre Haut schien förmlich davon zu glühen, wenn sie hinterher duschte, und diese Glut und ihr Selbstbewusstsein in Sachen Erotik wurden nur noch stärker, wenn sie ihren Kommilitoninnen keine Antwort auf ihre neugierigen Fragen nach der Affäre gab, die sie offensichtlich hatte.
Manchmal musste sie an die Frau denken, die Berkeley-Absolventin, daheim in Vermont. Dann warf sie den Kopf zurück, als ob sie sich eine Gewissensfrage stellte, doch in Wahrheit war sie auf eine Art und Weise, die sie beinahe beunruhigte, insgeheim begeistert über die sexuelle Macht, die sie auf andere Menschen und deren Leben ausüben konnte.
Doch eines Tages blieb ihre Periode aus. Sie erzählte es ihm beim sonntäglichen Frühstück im Hotel. Von da an rief er sie nicht mehr zurück.
Als ihre
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