Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
aus Baumwollbatist, große Ohrringe, lavendelfarbene Pumps und kirschroten Lippenstift. Jeffs Krawatte hing aus der Jackentasche, fast so, als wollte er demonstrieren, wie gleichgültig ihm jegliche Etikette war.
»Du kommst mit uns zum Abendessen in den Post Oaks Country Club«, sagte Jeff.
»Besten Dank, aber das ist für meinen Geschmack ein bisschen zu nobel. Hört mal, wenn ihr Gras habt, muss ich euch bitten, dass ihr es nicht auf mein Grundstück mitbringt. Ist nicht bös gemeint«, sagte Lucas.
»Das war der letzte Rest, Lucas, mein Bester. Hey, du willst uns doch nicht beleidigen, oder?«, sagte Jeff.
Für die eingeschriebenen Mitglieder war der Country Club von Deaf Smith eine Oase des Wohlstands mitten im südlichen Zentraltexas; er war architektonischer Ausdruck eines kulturellen Ideals in einer Zeit, die gekennzeichnet war vom allgemeinen Verfall der Sitten, dem Niedergang der Städte und dem Wirken so genannter Liberaler von der Ostküste, die alte Wertvorstellungen verwarfen und politische Rechte für eine Unterschicht durchsetzten, die aus den Barbarenhorden der Moderne bestand.
Die mit Eichen bepflanzten Grünanlagen und die weite, geschwungene Auffahrt, das blendend weiße Säulenportal, der türkisfarbene, in der Sonne glitzernde Swimmingpool, der die Form eines riesigen Kleeblatts hatte, die mit Natursteinplatten geflieste Terrasse, auf der große Kübel mit Palmen standen – all das war zauberhaft anzuschauen, doch es waren nur äußere Kennzeichen der Pracht und Exklusivität des Clubs; einzigartig war er vor allem aufgrund seiner Tradition, die bis in die frühen vierziger Jahre zurückreichte, als die Tanzorchester Glenn-Miller-Kompositionen auf der Terrasse spielten und man sich keinerlei Sorgen über Lebensmittelrationierung und Essensmarken machen musste, sich vom Krieg in Europa und im Südpazifik ebenso wenig bedroht fühlte wie durch das ferne Dröhnen einer Fliegenden Festung, die auf einem Übungsflug am magentaroten Himmel dahinzog.
Mochten die Bäume im Spätherbst auch Modergeruch verströmen, mochte der Swimmingpool abgelassen, gründlich mit Chlor gereinigt und über den Winter mit Planen abgedeckt werden, schienen Vergänglichkeit und Tod doch ein für alle Male gebannt, sobald man das Gelände des Clubs betrat, das sich von den undurchdringlichen Hecken an der Straße über die Fairways hinweg, die jede Woche mit flüssigem Stickstoff besprüht wurden, bis zu den Klippen über den trägen grünen Fluten an der Biegung des Flusses erstreckte. Die Bälle und Abschlussfeiern, das ausgelassene Treiben an der Bar und im Kartenzimmer am neunten Tee, die Bankette, die im Kerzenschein auf der Terrasse stattfanden, waren fester Bestandteil der feinen und vornehmen Lebensart, die jenen vergönnt war, die dafür gearbeitet und sie sich verdient hatten, und für die man sich nicht rechtfertigen musste. Wenn im November das rote Laub von einem Hartholzbaum fiel, nahm man das ebenso gelassen, und ohne an die eigene Sterblichkeit zu denken, zur Kenntnis wie den gelegentlichen Austausch des Personals, wenn jemand in die Jahre kam, von heute auf morgen verschwand und binnen kürzester Zeit durch einen anderen ersetzt wurde, der seinem Vorgänger so ähnlich sah, dass man den Wechsel kaum wahrnahm.
Lucas, Jeff und Esmeralda saßen vorne in Jeffs Kabrio und ließen sich die Haare vom Wind zerzausen, als sie nach Westen fuhren, in die grünen sanft ansteigenden Hügel, deren Schatten auf die Straße fielen. Aber Jeff wollte noch nicht in den Country Club. Er hielt vor einer Arbeiterkneipe, einer Bar über dem Fluss mit einem Tanzpavillon im Freien und einer Jukebox im hinteren Teil.
»Ich will da nicht rein, Jeff«, sagte Esmeralda.
»Wieso nicht?«
»Haben wir uns für eine Bierpinte so fein gemacht? Ich hab Hunger. Ich will nichts auf leeren Magen trinken«, sagte sie.
»Du bist nicht fein gemacht«, sagte er.
Sie schaute ihn von der Seite an. Griff nach seiner Hand.
»Was ist los, Schatz?«, sagte sie.
»Gar nichts. Hör auf, an mir rumzugrapschen, wenn ich fahre.« Dann rang er sich ein Grinsen ab. »Ich will bloß was trinken. Ich bin letzte Nacht gefeuert worden. Bis acht ist im Club sowieso kein Tisch frei. Wir können uns ja ein paar Nachos bestellen. Stimmt’s, Lucas?«
Doch Lucas antwortete nicht.
Sie tranken zwei Runden Wodka-Collins, blickten hinaus auf den Fluss, während der Rauch vom Grill, um den sich etliche Biker mit ihren Freundinnen scharten, über den Tisch
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