Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
linken Arm und kam wieder heraus.
»Ernest Hemingway ist mein Lieblingsschriftsteller. Ich habe ihn immer bewundert, weil er so mutig war. Aber am Ende hat er sich mit einer Schrotflinte den Schädel weggeballert, Peggy Jean«, sagte ich.
Kyle Rose hatte ein Problem. Sein ganzes Leben lang hatte er Uniformen geliebt – die Dienstkluft der Nationalgarde, die er bei den monatlichen Zusammenkünften anhatte, die messerscharf gebügelten, kurzärmligen grünlich braunen Deputy-Hemden und die Hosen mit den bleigrauen Streifen, die aussahen wie die Tropenuniformen der Marineinfanterie, sogar den verblichenen weißen Strohhut, die Sonnenbrille und die Khakihosen, die er getragen hatte, als er Leiter eines Wanderarbeitertrupps gewesen war und die Knochenarbeit auf den Bohnenfeldern beaufsichtigt hatte.
Seine Stoppelfrisur, das Mahlen mit der Kinnlade, der Blick, bei dem die Sträflinge im Bezirksgefängnis und die Trebegänger auf ihre Schuhe schauten, gehörten ebenfalls zu diesem äußeren Erscheinungsbild, das er sorgsam pflegte. Aber man musste auch entsprechend ausstaffiert sein, mit Stiefeln und Hut, und einigermaßen stramm und kräftig gebaut, damit man in der eng sitzenden Uniform sehnig und kantig wirkte. Sie mussten schlucken, wenn sie seine undurchdringliche Miene und den zu einem schmalen Strich zusammengekniffenen Mund sahen.
Doch all das haute nicht mehr hin, ohne dass er irgendjemandem hätte erklären können, warum und wieso.
Jessie Stump und Skyler Doolittle waren da draußen im Gelände, irgendwo in den Hügeln auf der anderen Seite des Flusses, gegenüber von der Stelle, wo sie aus dem Gefängnisbus ausgebrochen waren. Aber warum sollte ihm das zu schaffen machen? Stump war nichts als Abschaum und außerdem durchgeknallt; die Elektroschocks hatten ihm das Hirn weich gekocht. Doolittle war ein Kindermörder, ein missgestalteter Perverser, der aussah wie ein Dildo und in einen Zirkuswagen gehörte. Kyle Rose hatte Schwarze an den Haaren aus den Clubs in Niggertown gezerrt, ohne dass ihre Freunde etwas unternahmen. Einmal war er auf einen Wasserturm geklettert und hatte einen Heckenschützen mit dem Kolben seiner Flinte bewusstlos geschlagen. Ein unverbesserlicher Schwerverbrecher, der aus Huntsville hergebracht worden war, weil er in einem Prozess als Zeuge aussagen sollte, hatte das Essenstablett an die Wand der Ausnüchterungszelle geschmissen und die Kalfakter den Gang entlanggescheucht. Kyle Rose hatte ihn den Dreck mit dem Hemd aufputzen und ihn dann hinter den Todesstreifen kriechen lassen, der auf den Zementboden gemalt war.
Warum also blieben ihm beim bloßen Gedanken daran, dass Skyler Doolittle und Jessie Stump draußen im Gelände waren, die Worte im Hals stecken, und wieso wischte er sich deshalb unwillkürlich die Hände an den Hosenbeinen ab?
Weil sie keine Angst vor ihm hatten. Stump war zu irre, und Doolittle ... Kyle Rose konnte nicht genau sagen, warum Doolittle so anders war. Es lag nicht bloß an dem steifen Hals. Wenn man ihm in die Augen schaute, hatte man den Eindruck, er nehme den Schmerz einfach hin, als ob er noch nie etwas anderes erfahren hätte, wie ein Nackter, der ein Leben lang auf einem Pfad gegangen ist, der sich endlos durch Dornenbüsche zieht. Gegen so einen Mann gab es keine Handhabe.
Kyle Rose kaufte sich eine zweite Schusswaffe, eine .25er, die er sich bequem um den Knöchel schnallen konnte, wo sie keiner sah. Aber inwendig war er wie aufgedreht, und weder die Tequilas, die er zum Mittagessen trank, noch die martialischen Reden, die er im Mannschaftsraum der Deputys schwang, vermochten etwas dagegen auszurichten.
»Ich glaube, wir sollten die Klippen über dem Fluss abkämmen«, sagte er zu Hugo Roberts.
»Weshalb? Sie haben den Wachmännern im Bus nix zuleide getan. Meiner Ansicht nach geht von denen da draußen keine große Gefahr aus«, sagte Hugo. Er saß im Dämmerlicht an seinem Schreibtisch und ließ sich den Rauch der Zigarette, die er in der hohlen Hand hielt, ins Gesicht steigen.
»Sie sind entflohene Sträflinge. Deshalb. Den einen sollte man kastrieren, den andern in den Mutterleib zurückstopfen«, sagte Kyle.
Hugo stützte die Ellbogen auf die Schreibunterlage, zog an seiner Zigarette und blies den Rauch auf seine Hände. Er schaute teilnahmslos aus dem Fenster.
»Die kommen schon raus, wenn sie Hunger haben, vorausgesetzt, sie sind nicht schon in Mexiko. Such dir derweil ’ne Frau, Kyle. Oder lern Squash. Wieso hast du die Jungs
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