Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
überhaupt mit ’ner Schockknarre gepiesackt? Hat uns grade noch gefehlt, dass uns das Justizministerium noch mal Undercover-Agenten herschickt«, sagte Hugo.
Kyle Rose ging aus dem Sandsteingebäude und knallte mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. Hugos andere Deputys, in kalten Rauch und den Geruch nach Männerschweiß und Kautabak eingehüllt, schauten unbeteiligt in die Luft.
»Wir müssen Eignungsprüfungen einführen, das Personal besser auswählen. Ich glaub, der Junge hat’s schwer an den Nerven. Glaub ich wirklich«, sagte Hugo. Er zog an seiner Zigarette und blies den Rauch versonnen über seine Hände.
Kyle Rose nahm drei Tage unbezahlten Urlaub und fuhr zu dem Wohnwagen, den er draußen am Fluss stehen hatte. Der Rasen war gepflegt, von Ziegen kurz gehalten, die Kiefern standen weit auseinander, sodass Kyle die ganze Umgebung einsehen konnte. Aber er ging kein Risiko ein. Am ersten Abend zog er einen mit Blechbüchsen behängten Stolperdraht um die Baumstämme auf dem Grundstück, lud sein mit Zielfernrohr bestücktes Jagdgewehr und lehnte es neben die Tür. Dann setzte er sich mit einer kalten Flasche Carta Bianca in einen Liegestuhl auf der von Fliegendraht umgebenen Veranda und betrachtete die Bootslichter auf dem Fluss, das Feuer im Grill seines Nachbarn, das unter einem Stück Fleisch aufloderte, den Abendstern, der am malvenfarbenen Himmel über den Hügeln aufging.
Er schlief lange, stand ausgeruht und gut erholt auf und trank Kaffee mit seinem Nachbarn, einem pensionierten Berufssoldaten, hackte dann auf einem Baumstumpf am Flussufer Feuerholz, obwohl er bis zum Herbst keines brauchte.
Schon erstaunlich, was eine durchschlafene Nacht bewirken konnte. Die Sorgen, die er sich wegen Skyler Doolittle und Jessie Stump gemacht hatte, kamen ihm jetzt kindisch und belanglos vor. Außerdem hatten sie sich alles Unheil, das ihnen widerfahren war, selbst zuzuschreiben. Manchmal musste man ein bisschen nachhelfen, sonst fuhr niemand ein. Das sagte Hugo immer. Skyler Doolittle hatte unter Alkoholeinfluss Kinder totgefahren, dann war er bei einem Schulhof aufgegriffen worden. Wie oft sollte man so einen Typ denn davonkommen lassen? Also hatten sie ein paar Kinderpornos in sein Zimmer gelegt. Nichts weiter dabei. Lieber so was, als dass der Typ noch einen Bus voller Kinder über den Haufen fährt. Stimmt’s?
Stump war ein weiterer Kandidat, den man längst in den Holzschredder hätte stopfen sollen. Die ganze Familie hatte seit Generationen an einem sumpfigen, von Gestrüpp überwucherten Altwasserarm des Flusses gelebt, trieb Inzucht, wilderte, zapfte die Stromleitung des Bezirks an, legte Waldbrände, als das Sägewerk keinen von ihnen einstellen wollte, schoss Löcher in den Wasserturm eines Ausbildungslagers für arbeitslose Jugendliche.
Nein, ein Holzschredder genügte nicht, dachte Kyle. Dazu braucht man Napalm. Holt Düsenbomber her, und räuchert das ganze Dreckloch aus, macht den Boden unfruchtbar, auf dem sie gegangen sind, damit auch die letzten Keime abgetötet werden und der menschlichen Erbmasse kein weiterer Schaden entsteht.
Im Laufe des Tages wünschte sich Kyle sogar, dass Doolittle und Stump gegen ihn vorrückten. Die machten alle ein großes Geschrei darum, dass sie es einem heimzahlen wollten, sobald sie wieder rauskamen. Mal schaun, wie denen ein Bleispitzgeschoss aus seinem Jagdgewehr schmeckte. Wosch. Wie wenn man die Rückseite aus einer Wassermelone rausballerte.
An diesem Abend ging er mit seinem Bogen und einem Köcher voller Pfeile hinaus und heftete eine neue Papierzielscheibe an die Heuballen, die er vor seinem Geräteschuppen aufgestapelt hatte. Das Papier war dünn und glänzte wie Wachstuch, und im schwindenden Licht schimmerte der Weißwedelhirsch, der darauf abgebildet war, als wäre er lebendig. Aus fünfunddreißig Metern Entfernung jagte Kyle ein halbes Dutzend Pfeile in Hals und Flanke des Hirsches, wo die gefiederten Schäfte zitternd stecken blieben.
Es war ein herrlicher Abend. Der Himmel über den Hügeln war tiefrot, und die in Dunkelheit gehüllten Bäume wirkten weich, wie mit Moos behangen, so als stünden sie in einem Regenwald. Er holte eine Flasche Tequila aus dem Eiskübel auf dem Tisch bei seinem Schießstand, trank glatte zwei Fingerbreit aus dem Schnapsglas und spülte mit Carta Blanca nach. So machte das Leben Spaß. Und es könnte sogar noch schöner werden, wenn Hugo sich mit seiner Raucherei auch noch den anderen Lungenflügel ruinierte.
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