Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
wieder vergangen, als hätte es mein Körper ausgeschieden wie Wasser. Ich wollte Marvin Pomroy anrufen, um ihm von Skyler Doolittles Besuch zu berichten und mich nach dem Befinden des Deputys erkundigen, den Skyler zusammengeschlagen hatte; doch der Tag war einfach zu schön, um sich mit einer unsinnigen Rechtsordnung auseinander zu setzen, die seit jeher nichts anderes als Augenwischerei war.
Stattdessen fuhr ich zu dem Haus, das sich Lucas vierzig Meilen westlich der Stadt gemietet hatte, und erlebte dort eine andere Art von Unsinn – den meines Sohnes.
Er unterhielt sich mit mir auf dem Hof vor dem Haus, als Ronnie Cruises orangeroter 1961er T-Bird mit Ronnie am Steuer und Cholo auf dem Beifahrersitz in die Auffahrt bog.
»Ist meine Schwester da hinten?«, fragte Cholo durch das offene Fenster.
»Was wollt ihr hier?«, sagte Lucas.
»Dreimal darfst du raten. Meine Schwester besuchen, Mann«, sagte Cholo.
Das Auto fuhr am Haus vorbei und hielt vor dem Wohnwagen.
Ich schaute Lucas an.
»Du hältst dich da raus«, sagte ich.
»Verdammt, das ist mein Haus. Was hat Ronnie Cruise hier zu suchen? Sie hat ihn doch längst abserviert«, erwiderte er.
»Lucas –«
Er ging neben das Haus und starrte zum Wohnwagen, beide Hände in die Hüften gestützt, den Strohhut ins Gesicht gezogen. Esmeralda, Cholo und Ronnie standen jetzt auf dem staubigen Hof.
»Ich hab hier einen Job in einem Restaurant. Ich gehe nicht nach San Antonio zurück, Cholo«, sagte Esmeralda.
»Ich bin dein Bruder. Du machst, was ich sage«, sagte Cholo.
»Die Leute hier sind nix für uns. Meine Mutter sagt, du kannst bei ihr wohnen. Ich belästige dich auch nicht, Essie«, sagte Ronnie. Er hatte ein rotes Tuch um die Haare gebunden, dessen Spitzen im Wind wehten.
»Dann halte dich gefälligst an das, was ich dir sage, Ronnie«, sagte sie.
»Hast du irgendwas mit diesem Smothers da laufen?«, fragte er.
»Er war gut zu mir. Lasst ihn in Ruhe«, sagte sie.
»Die Leute hier behandeln uns doch samt und sonders wie den letzten Dreck«, sagte Cholo. »Jeffs Alter hat grade eure Ehe für ungültig erklären lassen. Es ist aus und vorbei. Das heißt, dass Jeff dich bloß benutzt hat, damit er was für seinen Schwengel hat, und dich dann weggeschmissen hat wie ein Stück Klopapier«, sagte Cholo.
Lucas trat hinaus auf den Fahrweg. »Ihr zwei wisst jetzt Bescheid. Sie will nichts mit euch zu tun haben.« Er hatte die Hände in die hinteren Hosentaschen geschoben und musterte sie mit angespannter Miene.
»Ich sag’s nur einmal. Das ist ein Privatgespräch«, sagte Ronnie.
»Scheiß drauf, Ronnie. Ihr seid auf meinem Grund und Boden«, sagte Lucas.
Ronnie atmete tief durch die Nase und zupfte an seinen Fingernägeln. Er warf Lucas einen schiefen Blick zu, dann mir.
»Wir wollen hier was regeln, das mit euch zwei überhaupt nix zu tun hat. Aber ihr behandelt uns wie Spucke an den Schuhsohlen. Um keinen Deut anders als Mr. Deitrich. Meint ihr etwa, ihr könnt uns deckeln, Mann? Meint ihr das wirklich?«, sagte er.
»Wir haben nichts mit euren Scherereien zu tun. Darüber müsst ihr euch klar werden«, sagte ich.
Ronnie wischte sich die Nase, schaute ins Leere.
»Ruf mich an, Essie«, sagte er zu Esmeralda.
»Es ist aus, Ronnie«, sagte sie.
Er rieb sich mit dem Daumen über die Stirn und ging zu seinem Auto, wirkte mit einem Mal gedankenverloren, so als ob er uns gar nicht mehr wahrnähme.
Lucas und ich schauten dem T-Bird hinterher, bis er auf der Straße verschwand.
»Was hältst du davon?«, fragte Lucas.
»Stell jemanden wie Ronnie Cruise niemals vor seinen Freunden bloß«, sagte ich.
»Nun ja, er kommt mir nicht auf mein Grundstück und wischt sich an andern die Füße ab«, sagte er.
Ich betrachtete sein Profil im Schein der Morgensonne, sah die Hitze, die ihm in die Wangen gestiegen war, den mannhaft energischen Blick, und mit einem Mal wurde mir schwer ums Herz, als zögen mich Wackersteine in einen Brunnen hinab.
Schon seltsam, wie manche Menschen aufblühen, sobald sie endlich so sein dürfen, wie sie immer gewesen sind.
Jeff Deitrich hatte gegen seinen Vater rebelliert, er hatte eine junge Mexikanerin geheiratet und auf einem Ölbohrturm seinen Mann stehen wollen. Aber er hatte schnell begriffen, dass ihm keine Strafe drohte, wenn er den Verlockungen nachgab, die ihm sein Vater bot, dass er vielmehr gefeiert wurde wie der verlorene Sohn und dass es Unsinn gewesen war, mit Leuten wetteifern zu wollen, die ihm insgeheim
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