Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
einem Haufen Geld gekommen ist?«
»Rutsch rüber und hör auf, dir den Kopf über die Deitrichs zu zerbrechen«, sagte sie und schob mich auf den Beifahrersitz.
Ein paar Minuten später fasste sie mich unter dem Arm und brachte mich zu meiner Haustür.
»Geh zu Bett. Ich komme in zwei Stunden vorbei und schau nach dir«, sagte sie.
»Was ist mit meinem Auto?«
»Ich bring’s zurück. Mach, was ich dir sage.«
Ich ging in mein Schlafzimmer im zweiten Stock, schaltete Boden- und Deckenventilatoren ein, riss die Fenster weit auf und legte mich in Unterwäsche auf das Bett. In kürzester Zeit war das Kissen durchweicht. Im Licht der untergehenden Sonne draußen vor dem Fenster sah ich das weite Hügelland im Westen, als hätte ich die ganze Weite der Welt vor Augen, mit all ihren Schatten und Geheimnissen und ihren verlockenden, rot getönten Klippen, die steil in die Dunkelheit abfielen.
Ich ging ins Bad, duschte mich und legte mich wieder hin, doch es brachte mir keine Linderung. Es war jetzt dunkel, und vor meinem inneren Auge sah ich die Mündungsblitze in dem Arroyo, in dem L.Q. Navarro zu Tode gekommen war, durchlebte den Moment, als sich die Kugeln wie heiße Schürhaken in meinen Leib bohrten, trieb einmal mehr in dem warmen Wasser, das Morpheus für seine Freunde bereitet hat.
Kippy Joe hatte mich als Todesbringer bezeichnet. Ihre Worte waren wie Speichel, der mir ins Gesicht flog, und ich konnte sie weder loswerden noch vergessen. L.Q. und ich hatten mexikanische Drogendealer unter dem Vorwand getötet, dass man sie ansonsten niemals für ihre Verbrechen zur Rechenschaft würde ziehen können; aber in Wahrheit hatten wir sie umgebracht, weil wir sie und das, was sie taten, persönlich verabscheuten, und es hatte uns eine große Genugtuung bereitet, wenn wir sie an Ort und Stelle liegen ließen, eine Spielkarte in den Mund geklemmt, damit ihre Freunde sie so fanden.
Dann sah ich L.Q. Navarro am Fuße meines Himmelbetts stehen. Sein Hut und der Nadelstreifenanzug waren mit Staub überzogen, das weiße Hemd leuchtete in der Dunkelheit. Er schob sich einen goldenen Zahnstocher in den Mundwinkel.
»Du musst diese Gedanken loswerden. Ich war es, der uns da runtergebracht hat, mein Guter« , sagte er.
»Ich habe irgendwas Schlimmes in mir, L. Q. Es ist genau wie damals, als es mich an der Brust erwischt hat.«
»Der Weg nach drüben ist gar nicht so übel. Ist genauso wie seinerzeit, als wir auf Teufel komm raus durch den Rio Grande gedonnert sind. Du zwinkerst einmal, und schon geht das alte Rotauge im Osten auf.«
»Ich habe Angst.«
»Brauchst du nicht zu haben. Es geschieht einfach ohne dein Zutun. Für diesen einen Moment brauchst du nichts zu planen« , sagte er und drehte sich dann um, als werde er durch irgendetwas abgelenkt. Ein Lichtstrahl spiegelte sich auf seinem goldenen Zahnstocher.
Temple Carrol kam durch die Tür und ging durch ihn hindurch, sodass sich seine Gestalt wie eine schwarzrote Silhouette rund um sie abzeichnete.
Sie setzte sich auf die Bettkante, nahm meine Hände und schaute mir ins Gesicht.
»Ich hätte nicht weggehen sollen«, sagte sie.
Ich wollte antworten, konnte aber nicht. Ich hörte meine Zähne klappern. Sie wischte mir mit der Hand die Stirn ab und strich mit dem Unterarm über meine Wange.
»Ich hole Wasser und ein paar feuchte Handtücher«, sagte sie und wollte aufstehen.
Aber ich hielt ihre Hände fest und zog sie an mich wie ein Kind, drückte das Gesicht an ihre Brüste, schlang die Arme um sie, spürte, wie sie kurz zögerte, sich dann zu mir niederließ, mir die Hände um Hinterkopf und Nacken legte und ein Knie über meinen Schenkel schob.
Ich hörte das schrille Geschrei mächtiger, dickleibiger Vögel draußen vor dem Fenster, das Schlagen der Schwingen, die so breit wie ausgestreckte Männerarme waren.
Die Töne in Temples Brust klangen wie das Rauschen in einer Muschelschale, wie wenn Wind und salzige Gischt über den Strand fegen. Ich drückte sie an mich, während hinter meinen geschlossenen Augenlidern Raubvögel am roten Himmel dahintrieben.
18
Am darauf folgenden Nachmittag wachte ich im Krankenhaus auf. Das Zimmer war in grelles gelbes Licht getaucht, in dessen Schein die Wände und das Mobiliar wie emailliert wirkten, streng und ungewöhnlich kalt für diese Jahreszeit. Meine Kehle fühlte sich wund an, als ob sie mit einem Metallwerkzeug zerkratzt worden wäre, und mir drehte sich der Kopf.
Ich legte mich wieder ins Bett, zog mir ein
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