Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
hineinschauen.
»Ich lasse mir die Milch liefern. Da ist ein Loch drin. Ein Einstich wie von der Nadel einer Injektionsspritze«, sagte ich.
Am Montagmorgen traf ich mich mit Tobin Voss in dessen Praxis draußen an der vierspurigen Schnellstraße. Ein halbes Dutzend Bücher lag aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Auf dem verglasten Bücherregal hinter seinem Sessel stand ein gerahmtes Foto von ihm und seiner Besatzung vor einem Huey-Helikopter.
»Hier ist eine Kopie des Laborberichts. Haben Sie schon mal was von einer so genannten Einheit 731 gehört, einer japanischen Spezialtruppe im Zweiten Weltkrieg?«, sagte er.
»Nein.«
»Die haben in der Mandschurei Experimente mit chinesischen Kriegsgefangenen durchgeführt. Bei unseren Wirtschaftsverhandlungen mit Tokio kommt dieses Thema vermutlich nicht oft zur Sprache. Die bei Ihnen gefundenen Proben weisen gewisse Ähnlichkeiten mit zwei Giftstoffen auf, die man dort entwickelt hat.«
»Sind Sie sicher?«, fragte ich.
»Drücken wir’s mal so aus. Ich kann Ihnen nicht mit absoluter Sicherheit sagen, welches Gift Sie im Körper hatten. Aber ich kann Ihnen sagen, was es nicht war. Damit haben wir also allerlei Raum für Spekulationen. Meiner Ansicht nach kommt dieses Zeug von früher am ehesten dafür in Frage.« Dann lächelte er und fragte: »Sie sind in letzter Zeit nicht zufällig in Afrika gewesen, was?«
»Warum?«
»Laut meinem schlauen Buch hier, in dem es um politische Machenschaften und Attentate geht, wurde das von Einheit 731 für die biologische Kriegführung entwickelte Gift dazu verwendet, etliche demokratische Staats- und Parteiführer in Afrika zu ermorden, hauptsächlich deshalb, weil es ähnliche Symptome auslöst wie eine Anzahl tödlicher Viruserkrankungen, die durch Tiere übertragen werden.«
»Wie sieht’s mit Zentralafrika aus, dem früheren Belgisch-Kongo?«
Er warf einen Blick auf die aufgeschlagene Buchseite, dann wandte er sich wieder an mich.
Der spöttischbelustigte Gesichtsausdruck war verschwunden. »Woher haben Sie das gewusst?«, sagte er.
Am Dienstag kam Wesley Rhodes in meine Kanzlei, aufgedreht, zitternd, so angespannt, dass seine Augen hervortraten. Trotz der Außentemperatur trug er zwei langärmlige Hemden, damit er wuchtiger wirkte, und Motorradstiefel mit fünf Zentimeter dicken Sohlen.
»Du bist auf Speed, Wes«, sagte ich.
»Mit Koks krieg ich das Kribbeln nicht mehr weg«, sagte er, fasste sich an das eine Handgelenk, dann ans andere, fuhr mit der einen Hand über den Rücken der anderen, als wollte er Regenwasser abwischen. »Alles geht den Bach runter. Ich hab ein paar Läden ausgenommen. Ich hab meinen Arsch verhökert. Ich bin in ’ne Leichenhalle eingestiegen. Aber ich hab nie was richtig Schlimmes gemacht.«
»Und du hast immer dafür gradegestanden. Dazu gehört was, mein Guter. Wie wär’s, wenn du mal in den Leerlauf schaltest?«
Daraufhin erzählte er mir von dem Wochenende mit den Jungs aus dem East End.
Hammie Wocheck, Jeff Deitrichs Kumpel von der University of Texas, kreuzte vor Wesleys heruntergekommenem, von Termiten zerfressenem Haus auf und saß bei laufendem Motor in seinem Pickup, bis Wesley von der Veranda herunterstieg und hinaus an den Straßenrand ging. Hammies blondes Haar war nass vom Gel, sein Gesicht von der Sonne verbrannt, die eine Halsseite, auf die er sich einen roten und dunkelorangen Schmetterling hatte tätowieren lassen, immer noch verschorft. Sein mächtiger Oberkörper füllte das ganze Seitenfenster des Lasters aus.
»Wes, mein Bester, du wirst gebraucht. Du musst mit uns runter nach Dallas fahren und ein paar Moppköpfe anrufen. Ich rede von den Jamaikanern, die Jeff Deitrich ausgenommen haben. Ist das da dein Haus?«, sagte Hammie.
»Ich hab in Dallas nix verloren.«
»Ist eine Ehrensache, Wes. Hier geht’s um miese Macker, die Affenscheiße in unsere Stadt schaffen, den Leuten schlechten Stoff verkaufen, die jungen Kids versauen. Zweitens hast du bei den Bullen Jeffs Namen fallen lassen. Glaub mir, das ist gar nicht gut angekommen. Du musst das ausbügeln, junger Freund. Gib deinem alten Herrn den Sechserpack hier. Sag ihm, du tust eine gute Tat für die Stadt. Da steht er bestimmt drauf.«
Sie fuhren zu Val’s und trafen sich mit Jeff Deitrich, Warren Costen und zwei anderen, darunter ein fetter Typ namens Chug Rollins, der irgendwas falsch verstanden haben musste, weil er gekleidet war wie ein Stricher. Dann kutschierten sie mit drei Autos zu einer kleinen
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