Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Hilfe!«, rief Krause, während er davontänzelte, die himmelblauen Handschuhe hängen ließ.
Cholos Kampfstil erinnerte mich an die alten Filmausschnitte von Two-Ton Tony Galento, der stur und schwerfällig wie ein Scheuermann vorgerückt war, einen wilden Fausthieb nach dem anderen austeilte.
Nur dass Cholo den Gegner nicht traf, der ihn fortwährend anfeixte.
Krause landete einen linken Haken an Cholos Auge und setzte blitzschnell zweimal nach. Cholo verzog das Gesicht, bekam nasse Augen, als ob ihm jemand Tränengas verpasst hätte. Dann traf ihn Krause am Ohr und erwischte ihn mit einem rechten Schwinger so schwer am Kinn, dass sein Mundschutz aus dem Ring flog. Als Cholo klammern wollte, trieb ihm Krause die Faust ins schlimme Auge und schlug wieder nach, diesmal voll auf den Mund.
Der Zeitnehmer riss am obersten Seil, hob die Hand und winkte Krause zurück.
Krause brachte sich in Position und hieb die rechte Faust mitten in Cholos ungeschütztes Gesicht, dass ihm das Blut aus Mund und Nase quoll, als er in die Seile flog. Cholo kippte um, wusste nicht mehr, wo oben und unten war, fiel aus dem Ring und riss einen Spuckeimer um, als er auf dem Zementboden landete.
»Bei uns gibt’s keine schmutzigen Kämpfe. Was ist denn mit dir los?«, sagte der Zeitnehmer.
»Sie haben das verkehrt rum gesehen. Der wollte mir die Eier zermatschen«, sagte Krause.
Er stieg durch die Seile, sprang auf den Zementboden und wich der Lache rund um den Eimer aus.
»Alles in Ordnung, mein Guter? Du hast mir schwer zugesetzt. Mir ist nix andres übrig geblieben«, sagte Krause.
Cholo rappelte sich benommen auf, zog die Handschuhe aus und klemmte sie unter den Arm. Dann ließ er sie zu Boden fallen und fasste sich zwischen die Beine.
»Du kannst mich mal kreuzweise«, sagte er.
»Was soll ich dazu sagen?«, sagte Krause.
Cholo drückte sich ein Handtuch an Mund und Nase und ging auf wackligen Beinen zum Umkleideraum.
»Hier treiben sich vielleicht Irre rum«, sagte Krause. »Was ist denn das für ein Schuppen?«
Jemand hob Cholos Handschuhe auf und wollte sie in die Kiste mit dem anderen Zubehör neben dem Ring werfen.
»Das sind meine Handschuhe«, sagte Krause und hielt ihm eine offene Papiertüte hin.
Cholo Ramirez begab sich tatsächlich auf den Pfad der Geister, den seine indianischen Vorfahren vor ihm gegangen waren, wenn auch nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte, nicht unter Pyramidenpappeln am Ufer eines Flusses, über den der Wind von der weiten Prärie wehte. Er ging vielmehr im endlosen Tröten einer verklemmten Autohupe, inmitten von Auspuffgasen und dem Geruch nach heißem Blech und Asphalt nur eine Häuserzeile vom Alamo entfernt in die ewigen Jagdgründe ein. Dort lösten die Sanitäter seine Hände vom Lenkrad des 49er Mercury und versuchten die Krämpfe zu lindern, die seinen Körper schüttelten, und die Blutung in seinem Gehirn zu unterbinden.
Während sie ihn auf eine Bahre schnallten, klappte ein entnervter Polizist die Haube hoch und zog das Kabel von der Hupe ab, als risse er eine Schlange entzwei.
21
Cholos Totenfeier fand drei Tage später in einer schlichten Kirche mit einem roten Ziegeldach und einem kleinen, ordentlichen Hof unmittelbar neben der Grundschule statt, die er einst besucht hatte – die einzigen gepflegten Gebäude in einer Gegend voller baufälliger Flachbauten, die aussahen wie Maschinengewehrbunker. Die Mitglieder seiner Bande versuchten sich bei der Trauerfeier in Szene zu setzen und bauten sich, in schwarze Mäntel mit scharlachrotem Futter gekleidet, mit düsteren Mienen und verkniffenen Augen im Vorraum der Kirche und auf dem Parkplatz auf. Aber im Grunde war es eine armselige Veranstaltung. Die hinteren Bänke waren leer; die Purple Hearts schwitzten und stanken in ihren Mänteln; dralle Frauen in schwarzer Kleidung weinten derart theatralisch, dass die anderen Trauergäste tief durchatmeten und missmutig die Augenbrauen hochzogen; und Cholo lag in einem billigen Holzsarg, mit einem glänzenden Anzug bekleidet, der aussah, als wäre er für eine Schulabschlussfeier ausgeliehen, eine Rose am Revers, die Haare steif vor Fett, den Kopf auf einem Nylonkissen, einen Rosenkranz um die Finger geschlungen, unter deren Nägeln noch Schmutz haftete.
Wenn es dort zwei Menschen gab, die tatsächlich Trauer trugen, so waren es Ronnie Cruise und Esmeralda Ramirez. Er saß auf der einen, sie auf der anderen Seite der Kirche. Sie würdigten weder sich noch sonst jemanden eines
Weitere Kostenlose Bücher