Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
er.
»Halten Sie mal den Sack«, sagte Temple.
»Was?«, sagte er.
Sie wirbelte herum und brachte einen Karatekick an, der den Sandsack genau in der Mitte traf.
»So was können Sie?«, sagte er.
»Was hat es mit Earl Deitrich und dem Skeet-Club auf sich?«, sagte sie.
»Ich dusch mich, und dann gehn wir irgendwo hin«, sagte er. »Aber erst ist der Typ dran, der mich ständig anglotzt. Ich muss ihn mir vornehmen.«
»Welcher Typ?«, sagte sie.
»Machen Sie sich mal keine Gedanken. Setzen Sie sich hin. Typen wie der sind – wie sagt man dazu? – leicht auszurechnen«, sagte er.
Wir sahen von einer an der Wand stehenden Bank aus zu, wie Cholo weiter auf den Sandsack eindrosch. Nach kurzer Zeit erkannten wir, was sich hier anbahnte. Ein blonder Mann mit Brillantine im Haar trainierte neben dem Ring mit dem Sprungseil, ließ es unter seinen flachen Schuhen auf den Boden klatschen, hielt die Hände über Kreuz, grinste lässig und schaute Cholo ununterbrochen an.
»Kennst du den Typ?«, sagte ich zu Temple.
»War früher mal Drogenschmuggler für Sammy Mace. Stammt aus Houston, hat einen Spitzel der Sitte erledigt. Ich dachte, er wäre in Huntsville«, sagte Temple.
»Johnny Krause.«
»Ja, genau. Er hat den Mordprozess in der Berufung gewonnen. Was macht der hier?«
Der Mann namens Johnny Krause hörte mit dem Seilspringen auf, ergriff ein Paar himmelblaue, sechzehn Unzen schwere Sparringhandschuhe, die auf der Treppe zum Ring lagen, und ging zu Cholo. Seine Bauchmuskeln wölbten sich leicht über den Gummizug seiner Hose, als er knapp einen Schritt hinter Cholo stehen blieb und die Handschuhe anzog, ohne auf dessen auskeilende Ellbogen oder den hin und her schaukelnden Sandsack zu achten.
»Mach drei Runden mit mir. Ich lass es locker angehen«, sagte er.
»Wenn ich mit jemand drei Runden machen will, forder ich ihn auf. Und das ›locker angehen‹ kannst du dir auch abschminken«, erwiderte Cholo.
Krause tat ungerührt, wandte nur den Kopf zur Seite und schaute ins Leere. Seine blau-weiß gestreifte Hose reichte fast bis zu den Knien und klebte wie ein nasses Kleenex an seiner Haut. »Wie du willst. Du hast mich den ganzen Morgen angeglotzt. Ich hab gedacht, du hast Lust dazu.«
»Ich hab dich angeglotzt?«
»Mach dir nix draus. Entschuldige die Störung, Paco«, sagte Krause und strich mit dem Handschuh über Cholos schweißnassen Kopf.
Cholo schlug seinen Arm weg.
»Wen meinst du mit Paco, Mann?«, sagte er.
»Heißt du etwa nicht so?« Krause lächelte unverwandt und tippte Cholo ans Ohr, zwinkerte ihm zu, nahm dann die Hände hoch und ging dahinter in Deckung, als rechne er jeden Moment mit einem Schlag. »Ich hab gehört, dass du ein ganz hinterfotziger harter Hund bist. Tu mir nichts, du harter Hund«, sagte er.
Cholo trat einen Schritt zurück und wollte Krause einen Schwinger verpassen, schlug ein Luftloch und geriet aus dem Gleichgewicht.
»Fast hätte mich der Luftzug umgehaun. Ich glaub, ich muss mir einen Anker umbinden. Holt mich hier raus«, sagte Krause.
Andere hatten inzwischen ihr Training unterbrochen und schauten zu, lachten, tuschelten hinter vorgehaltenen Handschuhen miteinander.
»Holt einen Zeitnehmer. Kopfschutz brauchen wir nicht«, sagte Cholo.
Johnny Krause sprang in den Ring, schlug eine Linksrechts-Kombination in die Luft, schürzte die Lippen und zog das Kinn auf die Brust. Dann lehnte er sich in die Ringecke, die Arme über die Seile gestreckt, und schaute zu Cholo hinunter, der gerade mit den Zähnen das zweite Paar blauer Handschuhe festzog.
Ich vertrat Cholo den Weg zum Ring. »Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das Gefühl, dass er Sie reinlegen will. Machen Sie’s nicht«, sagte ich.
»Leck mich«, erwiderte er und stieg hinauf in den Ring. Der Schweiß strömte über das bluttriefende Messer und die Totenkopf tätowierung an seinem Hals.
Ein alter Mann mit blasser, runzliger Haut und wallender weißer Mähne stellte eine Stoppuhr ein und schlug den Gong. Johnny Krause hatte entweder Profikämpfe bestritten oder im Gefängnis geboxt, denn er war sofort Herr der Lage, sobald er sich in die Mitte des Rings begab.
Er wich aus, duckte sich weg, wich so schnell zurück, dass Cholo ihn nicht erwischte, blieb ständig in der Defensive, als ob es um ein Sparring ginge, bei dem Cholo die Rolle des Angreifers zufiel.
»Holla! Willst du mir den Kopf abreißen? Wir sind hier nicht in Mexiko. Hey, wir haben keinen Ringarzt. Vielleicht bin ich ja Bluter.
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