Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
Fensterholm der Beifahrertür und schlug sie zu. Seine Augen flackerten, als stünde er unter Strom, Regenwasser schimmerte auf seiner Haut. Er beugte sich an Esmeralda vorbei und schaute Lucas an.
»Normalerweise nehmen wir bei den Purple Hearts keine Weißfische auf, aber manchmal machen wir eine Ausnahme«, sagte er.
»Nicht mal im Traum«, sagte Esmeralda.
Ein Streifenwagen kam ihnen entgegen und fuhr mit heulender Sirene im peitschenden Regen, der rot, blau und silbern um das Blinklicht auf dem Dach wirbelte, an ihnen vorbei.
Lucas wartete zu Hause zwei Stunden lang darauf, dass jemand vom Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung des Staates Texas oder ein Trupp von Hugo Roberts’ Deputys an seine Tür klopfte. Aber keiner kam. Er und Esmeralda fuhren Ronnie zu seinem T-Bird, vorbei an dem Rastplatz, der jetzt voller Regenpfützen stand und von Reifenspuren zerfurcht war, und halfen ihm beim Reifenwechsel. Danach kehrte er nach Hause zurück und schaute Esmeralda hinterher, die im Wohnwagen verschwand, die Tür schloss und die Lampe im Schlafzimmer anschaltete. Er ging ins Haus und versuchte zu schlafen, gab es dann auf, saß allein in der Küche und trank im Schein der Glühbirne an der Decke, die ein Muster aus Licht und Schatten auf seine bloßen Schultern zeichnete, eine Tasse Kaffee, war überzeugt davon, dass er bis spätestens Mitternacht auf dem Weg ins Gefängnis sein würde.
Doch kein Polizist kam.
Sollten Chug und die anderen tatsächlich dichthalten?, fragte er sich.
Nein, sie wollten nur nicht eingestehen, dass sie von einer jungen Mexikanerin und einem Typen aus dem West End überrumpelt worden waren. Die fanden schon eine Möglichkeit, wie sie die Sache irgendwann wieder ausbügeln konnten. Davon war er fest überzeugt.
Warum war das Leben so kompliziert? Warum konnte man nicht einfach zur Arbeit gehen, das College besuchen oder in einer Band spielen, warum wurde man nicht in Ruhe gelassen? Warum wurde man mit der Zeit, mit zunehmendem Alter oder dem Lehrgeld, das man zahlte, nicht klüger?
Was war mit Esmeralda? Sie hatte sich nicht mal bei ihm bedankt. Genau genommen hatte sie auf der Rückfahrt, nachdem sie Ronnie bei seinem Auto abgesetzt hatten, kaum ein Wort gesagt. Da werd einer draus schlau, dachte er.
Er ging wieder ins Schlafzimmer, schaltete den elektrischen Ventilator ein, legte sich in Jeans auf den Bettüberwurf und breitete den Arm über die Stirn. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen, und über den Hügeln in der Ferne war der Mond aufgegangen. Durch den Fliegendraht sah er den Schein von Esmeraldas Leselampe hinter dem orangefarbenen Vorhang am Schlafzimmerfenster des Wohnwagens. Sie las Bücher von Ernest Hemingway und Joyce Carol Oates. Er hatte die Einsen gesehen, die sie bei ihren Englischarbeiten geschrieben hatte. Sie war ein kluges Mädchen, aber verflixt noch mal, er gäbe sonst was dafür, wenn er wüsste, was in ihrem Kopf vorging.
Dann sah er ihren Schatten hinter dem Vorhang vorbeigehen, und sie öffnete die Tür, kam im Bademantel auf den Hof und verschwand hinter seinem Haus. Im nächsten Moment hörte er sie leise an die hintere Fliegendrahttür klopfen.
Er schaltete das Licht in der Küche ein und schaute sie durch den Fliegendraht an. Sie hatte den Bademantel eng um die Taille geschnürt, sodass der Stoff ihre Hüfte betonte, und trug flauschige Pantoffeln an den Füßen, die wie Kaninchen aussahen.
»Stimmt irgendwas nicht?«, sagte er.
»Ich höre ständig Geräusche. Ich weiß, dass es bloß der Wind ist, aber ich konnte nicht schlafen«, erwiderte sie.
»Willst du reinkommen?«
Sie schnitt ein Gesicht, als hadere sie mit sich selbst. »Wenn du noch auf bist«, sagte sie.
»Klar. Es ist heiß, nicht wahr? Um diese Jahreszeit sorgt der Regen kaum für Abkühlung«, sagte er und hielt ihr die Fliegendrahttür auf, fragte sich, ob er mit seinen abgedroschenen Floskeln die Begierde kaschieren konnte, die ihn packte, als sie dicht an ihm vorbeiging.
»Ronnie wollte morgen vorbeikommen und mich abholen. Ich hab ihm gesagt, er soll’s lassen«, sagte sie.
»Er sollte Chug Rollins lieber nicht mehr über den Weg laufen.«
»Du hast wegen Ronnie und mir Scherereien. Das, was ich vorhin gesagt habe, tut mir Leid.«
»Ich mach mir keine Gedanken wegen den Jungs vom East End.«
Sie kam ihm jetzt kleiner vor, irgendwie verletzlich, und das Licht fiel auf die roten Strähnen in ihrem Haar, sodass die eine Wange im Schatten lag und hohl
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