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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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sah dann sein Gesicht am Fenster. Seine Augen glänzten.
    »Du lässt aber auch nie locker. Du drängst mich immer in die Ecke, sodass ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll. Ich hab nicht so viel Grips wie du«, sagte er.
    »Sag das nie wieder. Du bist zehnmal begabter als ich«, sagte ich und fuhr dann hinunter zur Staatsstraße und in Richtung Stadt.
    Etwa fünf Meilen rollte ich so dahin, vorbei an Kirchenbussen voller Kids, an Raststätten, in denen sonntags ein Menü für die ganze Familie geboten wurde, und alles huschte an mir vorbei, als wären es Kulissen, auf Karton gemalte Bilder, die nicht das Geringste mit mir zu tun hatten. Dann kehrte ich um und preschte mit Vollgas zu Lucas zurück. Er hatte einen Schlauch hinter dem Haus hervorgezogen und sprengte die frische Saat auf dem Vorhof, spritzte gegen den Wind, sodass ihm die Dunstschwaden ins Gesicht trieben.
    »Gehst du heute Nachmittag zum Rodeo?«, fragte ich.
    »Ich spiel dort in der Band. Wir eröffnen die Show«, erwiderte er, knüllte sein T-Shirt zusammen und wischte sich damit das Gesicht ab, wusste nicht recht, ober er lächeln sollte oder nicht.
    Das Rodeo samt Zuchtviehausstellung fing erst an, als die Sonne in einem orangeroten Ball hinter der Tribüne der alten Pferderennbahn des Bezirks unterging. Dann zog Lucas mit seiner Bluegrass-Band in die Arena ein, blinzelte zu den Tausenden von Menschen auf und stimmte »Blue Moon of Kentucky« an.
    Temple Carrol, Pete und ich gingen zwischen den Jahrmarktbuden und Imbissständen entlang, die hinter den Koppeln und Gattern aufgebaut waren, aßen Eiscreme und sahen zu, wie sich die Gondeln des Riesenrads am Himmel drehten, der inzwischen kupferrot war, mit purpurnen und lila Wolkenstreifen durchsetzt.
    Die Luft roch nach Bratenfett, kandierten Äpfeln, geröstetem Maisbrot, nach dem Staub, der in rötlichen Schwaden aus der Arena aufstieg, nach Popcorn, das aus einem Elektrokessel quoll, nach Sattelleder und Pferdeschweiß, nach Pomade und Talkumpuder, mit denen sich die Cowboys die Haare und Hände einrieben, und nach den Wassermelonen, die ein Schwarzer eiskalt und tropfend aus einem rostigen Wasserbecken fischte und mit einem langen, säbelartigen Messer auf einem Schlachterblock entzweihieb.
    Dann johlte eine Horde halbwüchsiger Jungs, die oben auf dem Einlassgatter saßen, einem Mann mit Cowboyhut zu, der inmitten der Menschenmenge auftauchte, und strahlte ihn bewundernd an.
    »Hey, Wilbur, hier ist einer, der bockt auf der Stelle und haut dir die Hufe um die Ohren«, rief einer der Jungs.
    »Das braucht ihr mir nicht zu sagen. Sobald der aus dem Gatter kommt, hält ihn nix mehr am Boden«, erwiderte Wilbur Pickett, worauf die Jungs sich zugrinsten, Kautabak ausspien und einander stolz und wissend anschauten, weil der Mann, der sich bis eine Sekunde vor dem Summton auf Bodacious gehalten hatte, das bockige Pferd, das sie womöglich zogen, für einen harten Brocken hielt.
    Wilbur und Kippy Jo gingen an den mit Melonensaft und -körnern verklebten hölzernen Esstischen vorbei, die unter einer sich bauschenden, im Wind klatschenden Plane aufgestellt waren. Sie blieben vor einem rostigen Wasserbecken stehen, und während Wilbur drei Dollar aus seiner Jeanstasche fingerte, um von dem Mann zwei Melonenstücke zu kaufen, legte Kippy Jo die Hände über den Rand des Trogs, neigte den Kopf zur Seite und wandte die hinter einer Sonnenbrille verborgenen Augen der Menschenmenge zwischen den Buden zu, als sehe sie Gesichter, die sich aus einem unscharfen Schwarzweißfoto lösten und durch den elektronischen Lärm und das Zwielicht auf sie zutrieben.
    Ich folgte ihrem Blick in das Getümmel und sah Jeff, Earl und Peggy Jean Deitrich vor einer Reitschule mit geschnitzten und bemalten Pferden stehen, auf denen Kinder auf- und abschaukelten. Chug Rollins kam von einem Imbissstand und gesellte sich zu ihnen, reichte jedem einen in eine fettige Papierserviette gewickelten Hot Dog.
    So sah ich die Sache. Wilbur erzählte mir später, was seine Frau gesehen hatte.
    Der Himmel war weiß, die von einem feurigen Ring umgebene Sonne stand über einer endlosen, braungelben Ebene, auf der Kolonnen von barfüßigen Negern im Lendenschurz mittels langer Stangen um den Hals ins Joch gespannt waren. Ohne Hoffnung auf Wasser oder Schatten trotteten sie dahin, mit glasigen Augen, die Haut mit Staub und Schweiß überzogen, die aufgerissenen Münder rot, wie mit Farbe bemalt. Dann wurde ihr klar, dass sie tot waren und nicht

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