Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Scarlett, die dazu verflucht war, dass jedes Wesen in Amuylett sie fürchtete und ihr misstraute, kam es einem Wunder gleich, dass ein Zauberer wie Grohann, der die Regierung vertrat – na ja, oder zumindest so tat, als ob – sich dazu entschied, ihr die Zeichen von Tann anzuvertrauen!
Scarlett konnte ihr Einverständnis nur mit einem Nicken anzeigen, so aufgeregt war sie. Gleichzeitig ergriff sie Geralds Hand, der neben ihr saß, und hielt sie fest. Er erwiderte den Händedruck und das tat ihr gut.
„Kommen wir zuletzt zu Ritter Gangwolf. Sie wissen ja, Gangwolf, was ich von Ihnen halte. Sie sind nicht gerade ein Muster an Zuverlässigkeit und Verantwortungsgefühl. Aber Gerald ist Ihr Sohn und Geraldine war Ihre Schwester. Sie werden alles tun, um zu verhindern, dass das gefährliche Wissen, das die Zeichen von Tann schützen, in falsche Hände gerät!“
Man sah Ritter Gangwolf an, dass er nicht damit gerechnet hatte. Er verzog ein wenig das Gesicht, nicht gerade begeistert, doch entschlossen.
„Wenn Sie das meinen, Grohann, dann sage ich nicht Nein!“
„Gut. Ich habe die Zeichen bei mir, für jeden einen Zettel. Ihr werdet diese Zeichen auswendig lernen und die Zettel, auf denen sie geschrieben stehen, hier im Kamin verbrennen. Dabei dürfen keine Fehler passieren. Ihr dürft die Zettel erst verbrennen, wenn ihr euch sicher seid, dass ihr die auswendig gelernten Zeichen nicht mehr vergessen werdet und jederzeit fehlerfrei abrufen könnt!“
Lisandra machte ein bestürztes Gesicht, doch Grohann wusste sie zu ermutigen.
„Ich helfe gerne dem einen oder anderen mit einem zuverlässigen Erinnerungszauber aus“, sagte Grohann. „Was nichts daran ändert, dass es für einige von euch etwas mühsam werden könnte, die Zeichen zu erlernen. Doch wie lange es auch dauert, die ganze Nacht oder den ganzen nächsten Tag – niemand verlässt die Spiegelwelt, bevor alle Zettel, die ich verteilt habe, verbrannt sind!“
Das waren deutliche Worte. Und aufregende Worte, denen Taten folgten. Grohann griff jeweils einmal in die Luft, hielt dann plötzlich einen Papierstreifen zwischen den Fingern und gab ihn an die Person, für die er bestimmt war.
Viego Vandalez, Thuna und Maria waren von Grohann abgesehen die Einzigen, die keine Zeichen auswendig lernen mussten. Thuna und Maria waren darüber erleichtert. Sie konnten nun mal keine Magikalie einsetzen, um sich zu wehren. Nicht mal mit Instrumenten hätten sie das fertiggebracht. Ihre Talente waren besonders begehrt, doch nicht dazu gemacht, Feinde in die Flucht zu schlagen. Darum wollten sie keine Zeichen von Tann hüten und das war sicher auch der Grund für Grohanns Entscheidung gewesen, ihnen die Zeichen vorzuenthalten.
Was Viego Vandalez betraf, so war er zufrieden, nicht zu den Auserwählten zu gehören. Er gehörte immerhin zu den Eingeweihten, was beruhigend war, und durch Gangwolf würde er einen Zugang zum Archiv der Regierung bekommen, wenn er ihn brauchte. Doch seit er die Lilienpapiere kannte, fürchtete er sich vor zu viel Wissen. Er würde seine Nase nicht so bald in das Archiv stecken.
Scarlett zog sich in einen anderen Raum zurück, um ihre Zeichen zu erlernen. Lisandra nahm Grohanns Hilfe in Anspruch und Berry starrte ihren Zettel an, mit ernster Miene, und blinzelte nicht einmal. Sie war in tiefe Konzentration versunken und Maria war überzeugt davon, dass Berry ihren Zettel als Erste im Kamin verbrennen würde. Doch da täuschte sie sich.
Gerald war es, der nach erstaunlich kurzer Zeit ans Feuer trat und seinen Zettel hineinfallen ließ. Fasziniert beobachteten er und Maria, wie das Papier verbrannte.
„Du hast dir alles gemerkt?“, fragte Maria. „So schnell?“
„Tja, da staunst du, was?“
„Ich wundere mich darüber, dass du dir so sicher bist, dass du alles genau richtig im Kopf behalten hast.“
„Ach, das ist eine Kleinigkeit“, sagte Gerald.
Maria sah sich im Zimmer um. Sie sah, wie Gangwolf über seinem Zettel brütete und die begabte Berry unmerklich ihre Lippen bewegte, um sich etwas einzuprägen. Lisandra übte mit Grohann einen Erinnerungszauber – aber Gerald stand lachend am Feuer.
„Mist“, sagte er und grinste sie an, „ich halte es nicht durch!“
„Was?“
„Ich würde dich zu gerne in dem Glauben lassen, dass ich ein Erinnerungsgenie bin, aber ich schaffe es nicht, meinen Mund zu halten. Weißt du, es gab nicht viel zu merken bei mir. Nur ein Wort und drei Zahlen.“
„Gerald! Das darfst du mir
Weitere Kostenlose Bücher