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Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halo Summer
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jünger als Wolfgang. Aber Wolfgang hasste er und ließ es ihn jeden Tag spüren.
    Wenn Wolfgang einen Wunsch frei gehabt hätte – so einen Wunsch, wie man ihn in Märchen erfüllt bekommt – dann hätte er sich gewünscht, dass hinter ihm eine Tür aufginge. Irgendwo im Dunkel des Schranks würde sich etwas öffnen, ein Weg, der raus aus diesem Haus und weg aus diesem Leben führte. Er würde in eine fremde Welt klettern, genauso wie Lucy in den Chroniken von Narnia. Als Wolfgang sich das vorstellte, brannte die Sehnsucht wie Feuer in ihm. Sie pochte in seiner Brust. Gleichzeitig hörte er, wie sein Vater hinter Oma die Treppe heraufgepoltert kam.
    „Wenn ich euch erwische, dann setzt es was!“, schrie der Mann, den sie Papa nannten, der ihnen aber fremd war. Er war aus Mamas Leben verschwunden, als sie noch sehr klein gewesen waren, und erst seit zwei Jahren – seit Mama wieder verlobt war – sollten sie ihre Ferien bei ihm verbringen. Manchmal hatten sie den Eindruck, dass sie ihrer eigenen Mutter im Weg waren. Es war jedenfalls nicht mehr wie früher.
    Geraldine machte sich ganz klein. Ohne dass er sie berührte, spürte Wolfgang, wie sie zitterte. Er kannte seine Schwester besser als jeden anderen Menschen. Sie blieb nur ihm zuliebe im Schrank sitzen. Um Wolfgang einen Gefallen zu tun. Sonst wäre sie schon längst hervorgekrochen, um zu verhindern, dass Papas Donnerwetter allzu heftig ausfiel.
    „Gleich ist er hier“, flüsterte sie.
    „Sie werden den Zettel finden und nicht länger suchen“, sagte Wolfgang hoffnungsvoll, doch sein Vater achtete nicht auf Zettel. Er war ein Mann der Tat und als solcher trampelte er in Omas Schlafzimmer herum.
    „Kommt sofort raus, und zwar plötzlich! Glaubt ihr, es macht mir Spaß, den ganzen Weg von Frankfurt hierherzufahren, nur um euch abzuholen? Bei der Scheißhitze? Ich hab soooo einen Hals!“
    Sie sahen seinen Hals nicht, konnten sich aber vorstellen, wie dick der Hals jetzt war, da bestimmt alle Muskelstränge angeschwollen waren, so laut, wie er gerade brüllte. Wolfgang wollte nicht mit diesem Mann verwandt sein. Es gab überhaupt nichts, was er an seinem Vater bewunderte. Oder liebte. Das beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit.
    Sie hörten, wie Oma ihr Fett abbekam. Wenn sie die Kinder schon nicht behalten könne über die Ferien, dann solle sie gefälligst dafür sorgen, dass sie mit ihrem Gepäck an der Garage abfahrtbereit warteten, wenn er kam.
    „Bin ich hier der Einzige, der Kindern beibringt, wie man spurt?“
    Sie hörten, wie Oma sämtliche Schranktüren aufriss und hilflos rief:
    „Nun kommt schon raus, Kinder. Euer Vater wird immer ärgerlicher!“
    Sie blieben, wo sie waren.
    „Er platzt gleich!“, flüsterte Geraldine.
    „Ist mir egal“, erwiderte Wolfgang.
    Heimlich dachte er wieder an die Tür. Eine Tür im Dunkeln, die ihn und Geraldine an einen fremden, verzauberten Ort führen würde. Obwohl er wusste, dass es kindisch war, tastete er in der Schwärze des Schranks um sich, auf der Suche nach etwas, das sich wie ein Türgriff anfühlte. Und weil manchmal eben doch Wunder geschehen – unerklärliche, seltsame und eigentlich unmögliche Kleinigkeiten, aus denen etwas ganz Großes wird – trafen seine Fingerspitzen auf etwas, das sich wie Blech oder Metall anfühlte.
    Er klopfte sachte dagegen und hörte, dass sich dahinter ein Hohlraum befand. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Klammern fand, mit denen das Blech an der Wand befestigt war. Er schob sie beiseite, zog das Blech weg und spähte durch das Loch dahinter. Darin war es fast schwarz. Aber eben nur fast. Irgendwo in einer Ferne, die es hier im Schrank gar nicht geben konnte, wurde es heller.
    Ungläubig schob er das Blech ganz zur Seite und spätestens jetzt, als ein klammer, modriger Duft von nebelnassen Bäumen, Moos und schlammigen Pfützen in seine Nase stieg, begann er zu verstehen, dass er soeben etwas Besonderes geöffnet hatte: eine Lücke, ein Tor, einen Übergang an einen anderen Ort!
    „Komm, Dine, hier geht es noch weiter!“, sagte er, obwohl ihm klar sein musste, dass sie nicht verstand, was er meinte. Daher nahm er ihre zitternde Hand und zog sie mit sich mit. „Vertrau mir!“
    Das waren die Zauberworte, die er sprechen musste. Ohne zu wissen, was sie da eigentlich tat, kroch Geraldine hinter Wolfgang in ein merkwürdiges Loch im Inneren des Schrankes, bis ihre Knie in etwas Nassem landeten.
    „Ih, was ist das denn?“, rief sie.
    „Weiter, Dine!

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