Feuerscherben
begann mit scharfen Fragen zu der in Florida anhängigen Gesetzgebung über die Rechte Homosexueller. Während Andrew noch versuchte, sich um die Antwort zu drücken, stieß Sterne nach und brachte das Gespräch direkt auf Andrews persönliche Moralvorstellungen und seine Beziehung zu Jordan Edgar.
Andrew beging einen katastrophalen Fehler und tat, als könne er mit diesem Namen nichts anfangen. »Jordan Edgar, sagten Sie?« Sein Lächeln war nur eine Spur nervös. »Tut mir leid, ich erinnere mich nicht.«
»Sie gingen mit ihm zur Grundschule, Mr. Campbell. Sie waren in derselben Klasse, schliefen fünf Jahre im selben Schlafsaal und gingen anschließend gemeinsam auf die Princeton University, wo Sie den Abschluss in Politischen Wissenschaften machten. Alle beide.«
»O ja, natürlich. Wir konnte ich das vergessen.« Andrew war ein Profi, das musste man ihm lassen. Er hatte gemerkt, dass er beinahe einen fatalen Fehler begangen hätte, und versuchte sofort, den verlorenen Boden zurückzugewinnen. »Wir waren im selben Tennisteam. Jordan war mein Partner während des letzten Schuljahrs in Groton. Ein fabelhafter Tennisspieler und toller Kamerad.« Er lächelte direkt in die Kamera. Doch Dianna entdeckte die Schweißperlen, die ihm auf die Stirn traten und auf den Kragen hinabliefen. Wie viele Zuschauer sehen das wohl außer mir noch?, überlegte sie.
Steve Sterne drehte sich zu einer Seitenkamera und sah seine unsichtbaren Zuschauer scheinbar absolut aufrichtig an. Das Bild von Andrew blieb solange ausgeblendet. »Wir waren der Meinung, dass sich zahlreiche potenzielle Wähler für die Freundschaft zwischen Mr. Campbell und Leutnant Jordan Edgar interessieren würden«, sagte er. »Deshalb haben wir einige Nachforschungen angestellt und Jordan Edgars Schwester Christine gefunden. Mit ihrer Hilfe haben wir einen kleinen Bericht über das Leben ihres Bruders zusammengestellt.«
Sterne wandte sich wieder an Andrew, den die Kamera genau in dem Moment erfasste, als er sich mit einem schneeweißen Taschentuch die Stirn trockenrieb. »Für den Fall, dass Ihr Gedächtnis Sie erneut im Stich lässt, darf ich Sie daran erinnern, dass Leutnant Jordans Leben ein sehr unglückliches Ende nahm, während er seinen Dienst an Bord der,Spirit of Freedom’ tat, Mr. Campbell. Übrigens auf demselben Schiff, auf dem auch Sie waren.«
Andrew murmelte etwas Unzusammenhängendes. Dianna verstand nur die Worte: »Großartiges Schiff, großartige Mannschaft.« Sterne forderte seine Zuschauer auf, am Fernseher zu bleiben, denn sie wären gleich nach der kurzen Werbepause wieder da.
Dianna schaltete den Ton aus und sah zu, wie eine Tasse Kaffee auf dem Bildschirm dampfte und ein batteriegetriebenes Häschen durch die schottische Landschaft hoppelte. Lächle, ermahnte sie sich. Sei glücklich. Dies hast du doch gewollt. Andrew windet sich auf seinem heißen Stuhl, und die amerikanischen Wähler sehen zu.
Ja, antwortete eine kleine innere Stimme. Nur hast du es dir nicht ganz so grausam vorgestellt. Du hattest nicht erwartet, dass Steve Sterne sich so hämisch freuen würde.
Weshalb eigentlich nicht?, überlegte Dianna. Er verhält sich immer so. Das wusste ich die ganze Zeit.
Richtig, antwortete ihre innere Stimme. Aber du hattest nicht angenommen, dass Sternes Leute so schnell eine Schwester von Jordan auftreiben würden. Sterne hat das Material erst vor wenigen Tagen bekommen und trotzdem schon einen Film zusammengestellt. Das konnte kein Mensch ahnen.
Unsinn, musste Dianna zugeben. Ich wusste genau, dass Steve auf die eine oder andere Weise eine dramatische Situation heraufbeschwören würde. Es ist absolut logisch, dass sich seine Leute auf die Suche nach Jordans Schwester gemacht haben. Sonya hätte an seiner Stelle nicht anders gehandelt.
Das Team muss täglich vierundzwanzig Stunden gearbeitet haben, überlegte sie und presste die Knöchel auf den Mund. Die Werbung war zu Ende, und Steve Sterne lächelte erneut in die Kamera. Mit der Fernbedienung schaltete Dianna den Ton wieder ein.
Sterne begrüßte seine Zuschauer noch einmal, und der Film über Jordan Edgars Leben begann. Benommen verfolgte Dianna die ihr inzwischen vertraute Geschichte. Sterne und seine Redakteure hatten fabelhafte Arbeit geleistet und Christine Edgars Amateurfilme mit professionellen Clips aus den turbulenten Tagen des Vietnamkriegs und von den Antikriegsdemonstrationen gemischt. Aus technischer Sicht war der Film ein Meisterwerk.
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