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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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Schwarz-Weiß-Aufnahmen wechselten mit farbigen Bildern und verliehen der traurigen Geschichte eine zusätzliche Glaubwürdigkeit.
    Mit dem elenden Gefühl, dass das Unvermeidliche kommen musste, erkannte Dianna, dass die Redakteure nur Szenen aus den Privatfilmen gewählt hatten, in denen auch Andrew auftauchte. Die beiden Männer standen gewöhnlich dicht beieinander, berührten sich aber selten. In einer kurzen Szene legte Jordan seinen Arm um Andrews Schultern. Doch die stummen Bilder zeugten höchstens von Zuneigung und Kameradschaft.
    Vielleicht glauben die Zuschauer ja, dass Andrew und Jordan nur gute Freunde waren, überlegte sie. Nichts wies bisher darauf hin, dass mehr zwischen den beiden gewesen war.
    Verblüfft erkannte Dianna, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war, und sie wandte sich vom Bildschirm ab. Was in aller Welt war mit ihr los? Hoffte sie etwa insgeheim, dass Andrew dieses erbarmungslose Outing überlebte? Das war doch nicht möglich!
    Der gesamte Film dauerte nicht langer als fünf Minuten. Während der letzten gut sechzig Sekunden berichtete eine unterlegte Stimme von Leutnant Edgars Verfahren vor dem Kriegsgericht. Mit seiner Weigerung, den Namen seines Liebhabers zu nennen, habe der Leutnant die Höchststrafe für sich heraufbeschworen, erklärte der Sprecher leidenschaftslos. Der Film endete mit einem Standfoto von Jordan Edgar in voller Uniform.
    Eine Frau, die nicht im Film gezeigt wurde, stellte sich als Christine Wallenstein vor, Jordans jüngere Schwester. Mit belegter Stimme erzählte sie vom Tod ihres Vaters, Konteradmiral Edgar, und von Jordans Selbstmord im Militärgefängnis auf der Insel Guam.
    Als die Kamera ins Studio zurückkehrte, betrat eine Frau mittleren Alters die Szene und setzte sich Andrew gegenüber. Sie sah ihn angewidert an und konnte ihren Abscheu kaum verbergen. Andrew schien ihre Anwesenheit nicht zu bemerken. Wie erstarrt, blickte er schmerzerfüllt geradeaus.
    »Dies ist Christine Wallenstein, Jordan Edgars Schwester«, sagte Steve Sterne in die Kamera. Dann wandte er sich an Mrs. Wallenstein. »Für Sie muss der Selbstmord Ihres Bruders ein äußerst tragischer Verlust gewesen sein«, begann er.
    »Ja, Mr. Sterne, genauso empfinde ich es. Mein Bruder war ein wunderbarer, warmherziger, fürsorglicher Mensch. Er wurde buchstäblich in den Tod getrieben.«
    »Nach dem Gesetz für Militärangehörige war das Urteil, das über Ihren Bruder gesprochen wurde, absolut korrekt. Was ist Ihre Meinung dazu? Glauben Sie, dass die Militärbehörden und insbesondere die Kriegsmarine seinen Fall fair behandelt haben?«
    »Nein, natürlich nicht. Bis zur Änderung des Gesetzes im Jahre 1993 wurden jährlich Hunderte von Soldaten wegen homosexueller Handlungen aus dem aktiven Dienst in der Armee entfernt. Aber sie bekamen keine Gefängnisstrafe. Schlimmstenfalls wurden sie vor ein Kriegsgericht gestellt und in Unehren entlassen. Hunderte weitere konnten in der Armee bleiben und ihrem Land weiterhin dienen, häufig in stillschweigendem Einverständnis mit ihren kommandierenden Offizieren. An meinem Bruder wurde aus einem einzigen Grund ein Beispiel statuiert.«
    »Und welcher war das, Mrs. Wallenstein?«
    »Er wollte den Namen seines Partners nicht preisgeben«, antwortete sie zornig. »Es ist kein großes Geheimnis, dass die Marineführung eine panische Angst vor homosexuellen Beziehungen an Bord eines Schiffes hat, vor allem in Kriegszeiten. Mein Bruder wollte den Namen nicht nennen, und der Kapitän ertrug den Gedanken nicht, dass es einen weiteren Schwulen auf seinem Schiff gab, der über die Planken schlich und nur darauf wartete, anständige heterosexuelle amerikanische Jungen zu vergewaltigen. Mein Bruder wurde geopfert, um die Ängste eines mit Vorurteilen belasteten Kapitäns und eines Haufens neurotischer Admirale zu beschwichtigen.«
    »Glauben Sie, dass das Urteil für Ihren Bruder milder ausgefallen wäre, wenn sich sein Partner gestellt hätte?«
    Christine Wallenstein unterdrückte einen Schluchzer. »Selbstverständlich wäre es das. Das ist ja der springende Punkt. Mein Bruder war bereit, eine Gefängnisstrafe auf sich zu nehmen, um seinen Liebhaber zu schützen. Und sein Liebhaber war ein Feigling, der nicht den Mut aufbrachte, vorzutreten und seinen Teil an der Schuld auf sich zu nehmen. Hätten alle beide gestanden, wäre keiner von ihnen im Gefängnis gelandet. Dessen bin ich mir ziemlich sicher.«
    »Ich stelle fest, dass Sie einen erheblichen

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