Feuerscherben
Nachricht an Bord des Flugzeugträgers verbreitete –, war er auf See zusammengebrochen. Ein einfühlsamer Kapitän hatte seine Überstellung in ein Hospital nach Okinawa veranlasst. Dort hatte Andrew sich einen Monat lang erholt, bevor er zu zwei Monaten weiteren aktiven Dienstes auf die »Spirit of Freedom« zurückgeflogen war.
Andrew verhält sich sehr geschickt, überlegte Dianna. Anstatt mit Einzelheiten über seine militärische Laufbahn zu prahlen, spielte er immer wieder auf seinen einjährigen Dienst an Bord des Flugzeugträgers an. Die Journalisten vermutete dass er damit die Stimmen der Kriegsveteranen für sich gewinnen wollte, und gähnten jedes Mal entsetzlich bei sein Anekdoten über die Anfechtungen und Freuden des Marinelebens. Da sie nicht gewillt waren, die allgemein bekannten Tatsachen, näher zu erforschen, ließen sie sich mühelos irreführen. Niemand stellte Andrew heikle Fragen. Keiner versuchte herauszufinden, ob sich etwas hinter den langweiligen Fakten des offiziellen Berichts verbarg. Stattdessen stellte die Presse ganz Florida auf den Kopf, um die geheimnisvolle Frau in Andrews Leben zu finden.
Jetzt wird mir alles klar, dachte Dianna. Wahrscheinlich bringt Andrew selber das Gerücht über seine außerehelichen Beziehungen auf. Vielleicht lässt er Sharon Kruger mitreisen, damit die Leute etwas zu tuscheln haben und sich fragen, ob seine hübsche Köchin nicht nur sein Abendessen, sondern auch sein Bett warm hält.
Dianna hatte alles, was sie brauchte. Ja, sogar noch mehr. Sie schloss die beiden Ordner und ging in die Küche. Sonya saß auf einem Barhocker an der Anrichte und rührte mit einem schlaffen Strohhalm das schmelzende Eis in ihrem Glas. Dianna hatte den Eindruck, dass die Freundin seit einer halben Stunde so dasaß, ohne etwas zu trinken.
»Ich habe die Unterlagen gelesen«, sagte sie tonlos. Sonya rührte weiter in ihrem Glas. »Aha. Dann kennst du jetzt also Andrew Campbells hässliche Geheimnisse.«
»Seine traurigen Geheimnisse«, verbesserte Dianna sie spontan. »Schrecklich, diese Sache mit Jordan Edgar. Wenn man sich vorstellt, dass Andrew einfach daneben gestanden und geschwiegen hat, während sein Freund ins Gefängnis geworfen wurde … «
Sonya stand auf und verzog den Mund. »Ja. Und was wirst du jetzt tun, Kindchen? Du weißt, was passiert, wenn du diese Unterlagen an die Presse weitergibst.«
Leider konnte Dianna es sich nur allzu gut vorstellen. Das Thema »Homosexuelle in der Armee«, erregte die öffentliche Meinung in regelmäßigen Abständen. Es war bis heute ungelöst und zerrte an den Nerven vieler Leute. Jordan Edgars tragisches Schicksal würde hitzige Debatten und große Spannungen auslösen, jedoch kaum zu einer sachlichen Diskussion beitragen.
Dianna runzelte die Stirn. »Eines ist sicher: Die Gegner der Homosexuellen würden ein Freudenfest feiern.«
Sonya lächelte freudlos. »Das stimmt. Aber du hättest dein Ziel erreicht. Sobald die Geschichte bekannt wird, ist Andrew Campbell erledigt. Die Jagd nach dem Gouverneursposten ist für ihn beendet.«
»Ich wünschte, ich- könnte es auf eine andere Weise erreichen«, sagte Dianna. »Ich will verhindern, dass Andrew Gouverneur von Florida wird. Er ist nicht für ein öffentliches Amt geeignet. Aber weil er ein Mörder ist und nicht, weil er Vorjahren eine homosexuelle Beziehung mit Jordan Edgar hatte.«
Sonya rührte erneut ihre Eiswürfel um. »Nun ja, das Ziel rechtfertigt die Mittel. Sagt man das nicht? Was macht es schon, wenn er schuldig ist und die Öffentlichkeit ihn wegen einer anderen Sache verdammt?«
»Wahrscheinlich nicht viel.« Dianna wünschte beinahe, Sonya hätte ihr die beiden Ordner nicht gezeigt. Sie hätte ihr kein Material geliefert, das Andrew zu Fall bringen konnte. Tief im Innern war sie davon überzeugt, dass nichts Gutes dabei herauskommen konnte, wenn man auf die Vorurteile anderer Leute zählte – nicht einmal bei einem so edlen Motiv wie der Vernichtung von Andrew Campbell. Viele Menschen würden dabei verletzt werden.
Wie wird Evelyn darauf reagieren?, überlegte sie. Meine Güte, was wird sie tun, wenn diese Geschichte ans Licht kommt? »Lebt Mrs. Edgar noch?«, fragte Dianna plötzlich. »Mrs. Edgar?«
»Ja, Jordans Mutter. Die Witwe des Konteradmirals.«
Sonya holte einen Eisbereiter aus dem Gefrierschrank, schlug damit auf die Anrichte und brach die Würfel heraus. »Mrs. Edgar ist voriges Jahr gestorben. Was aus seinen Schwestern geworden ist,
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