Feuerscherben
weiß ich nicht. Sie sind verheiratet. Keine Ahnung, mit wem. Darum habe ich mich nicht gekümmert.«
Jordans Schwestern waren sozusagen in der Versenkung verschwunden, und seine Mutter war tot. Mrs. Edgar konnte es also nichts mehr anhaben, wenn Dianna das Material an die Presse gab. Andrew war dagegen sehr wohl am Leben. Er hatte das Feuer gelegt, bei dem Jon Kaplan verbrannt war. Wahrscheinlich hatte er auch etwas mit dem Unfall in New Jersey zu tun. Und selbst wenn er Hal Doherty nicht ermordet hatte, ließ der kürzliche Brand in Florida darauf schließen, dass er erneut töten würde, falls er sich bedroht fühlte. Mit einem derartigen Strafregister war er eindeutig für ein Öffentliches Amt ungeeignet, erst recht für das eines Gouverneurs.
Dianna starrte auf die Aktenordner. In ihren Händen waren Informationen, die Andrew Campbell vernichten konnten. Weshalb zögerte sie noch? Jahrelang hatte sie auf diesen Augenblick gewartet. Sie durfte jetzt nicht kneifen, nur weil ihr die Methode nicht gefiel, mit der sie den Mann zur Strecke bringen konnte. Manchmal rechtfertigte das Ziel tatsächlich die Mittel.
Dianna holte tief Luft und zwang sich, der Freundin in die Augen zu sehen. »Also gut, ich möchte, dass dieses Material veröffentlicht wird. Willst du das selber übernehmen, Sonya?«
Sonya lachte gequält. Der krächzende Laut ging Dianna durch Mark und Bein. »Nein danke, Kindchen. Ich glaube, auf diese Story verzichte ich lieber. Homosexuelle bloßzustellen, ist nicht mein Stil. Aus naheliegenden Gründen.«
Dianna ging nicht auf ihre Bemerkung ein, obwohl sie sicher war, dass Sonyas Karriere einen erheblichen Satz nach oben machen würde, falls die Freundin mit der Geschichte herauskäme. »Wenn das so ist, werde ich versuchen, das größtmögliche Aufsehen zu erregen, und die Enthüllung zur Spitzenzeit im Fernsehen stattfinden lassen. Andrew gibt nächsten Montag ein Interview in Steve Sternes ,Newsmaker’. Es ist sehr wichtig für ihn, weil das politische Magazin im Gegensatz zu regionalen Sendungen in Florida landesweit ausgestrahlt wird. Ich werde dafür sorgen, dass Mr. Sterne die nötigen Informationen aus den beiden Ordnern erhalt, und die entsprechenden Stellen mit einem Leuchtstift unterlegen, sodass er sie schnell findet. Ich nehme an, er wird das Material verwenden. Zumindest wird er Andrew zu einer Stellungnahme über die Rechte der Homosexuellen drängen, die dieser bisher immer vermieden hat.«
»Ja«, sagte Sonya. »Das ist ziemlich wahrscheinlich. Mit dem großen Stab, der Sterne für seine Recherchen zur Verfügung steht, hat er bis Montag vermutlich einen Liebesbrief von Andrew an Jordan oder etwas ähnlich Verdammenswertes aufgetrieben.« Sie stand auf, und ihr Gesicht war so blass, dass es beinahe durchsichtig wirkte. »Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, Kindchen … Ich muss ins Bad und mich übergeben. Ich verabscheue es nicht nur, einen Homosexuellen den Löwen zum Fraß vorzuwerfen. Wenn du es genau wissen willst: Ich finde, Andrew Campbell ist ein netter Kerl.«
»Viele Mörder erwecken diesen Anschein«, antwortete Dianna ungerührt. »Nicht alle laufen mit Schaum vor dem Mund herum oder schwingen eine Axt.«
Sonya drehte sich zu ihr und musste sich plötzlich an den Türrahmen stützen. »Sag mir die Wahrheit, Di. Ich finde, ich habe sie verdient. Ist Andrew Campbell dein Vater?«
Dianna zögerte nur einen Herzschlag. »Nein«, antwortete sie und lächelte schmerzlich. »Andrew Campbell ist nicht mein Vater. Das schwöre ich.«
12. KAPITEL
Rache muss man sofort üben und den Erfolg unmittelbar genießen, dachte Dianna wehmütig. Lässt man seinen Zorn und seine Hassgefühle zu lange abkühlen, bekommt die Vergeltung einen schalen Beigeschmack.
Mit klopfendem Herzen verfolgte sie Andrews Interview mit Steve Sterne – seine Hinrichtung war vielleicht der bessere Ausdruck – und ihr Atem ging stoßweise.
Andrew war ein erfahrener Interviewpartner und ein ausgezeichneter Redner. Doch Steve Sterne war berühmt für seine Interviewtechnik, die bis an die Grenze der Feindseligkeit reichte. Das ist einer der Gründe, weshalb ich ihm die Informationen habe zukommen lassen, erinnerte sich Dianna. Trotzdem wünschte sie schon bald, sie hätte jemanden gewählt, der nicht ganz so brutal vorging.
Steve ließ nicht locker und gab Andrew keine Chance zu irgendwelchen Ausflüchten. Schon in den ersten Sekunden des Interviews ging er zum Angriff über und
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