Feuerscherben
Groll gegen diesen Mann hegen, Mrs. Wallenstein. Die Zuschauer verstehen gewiss, weshalb.« Steve Sterne beugte sich vor. Seine Körpersprache verriet Trost und Hilfe, falls sie sich ihm anvertrauen wollte. »Die Militärrichter haben nie herausbekommen, wo der Liebhaber Ihres Bruders war. In den Gerichtsunterlagen über den Prozess gegen Leutnant Edgar findet sich nicht di geringste Hinweis darauf, wer der Mann gewesen sein könnt Sie waren seine Schwester, seine Lieblings Schwester, wenn ich richtig informiert bin. Ihnen könnte er sich anvertraut haben. Tat er es?«
»Er hat es mir nicht geschrieben, falls Sie so etwas meinen«, antwortete sie. »Das war gar nicht nötig. Ich wusste die ganze Zeit, wer sein Liebhaber war.«
Sternes Spannung wuchs und machte sein markantes Profil noch fotogener. »Sie kannten die Wahrheit und haben all die Jahre geschwiegen? Weshalb?«
Christine Wallenstein schüttelte den Kopf, als wüsste sie selber keine Antwort auf diese Frage. »Jordan war tot. Nicht machte ihn wieder lebendig. Außerdem war er ins Gefängnis gegangen, um den Namen seines Liebhabers geheim zu halten. Ich hielt es für meine Pflicht, seinen Wunsch zu respektieren.«
»Inzwischen sind Sie jedoch anderen Sinnes geworden und haben beschlossen zu reden. Ist das richtig?«
»Ja. Meine Mutter starb voriges Jahr, und ich habe in letzter Zeit viel über das Thema, Homosexuelle im öffentlichen Leben’ nachgedacht. Meiner Ansicht nach wird das Problem durch Schweigen nur schlimmer. Unsere Nation muss endlich begreifen, dass zahlreiche Menschen, die sie bewundern, homosexuell sind. Das hat absolut nichts zu bedeuten. Es gibt wunderbare, tapfere Homosexuelle wie meinen Bruder und feige, verabscheuungswürdige wie seinen Liebhaber.«
»Deshalb haben Sie beschlossen, den geheimnisvollen Partner Ihres Bruders zu nennen. Und Sie werden seinen Namen heute Abend in dieser Sendung bekannt geben.«
»Ja, das werde ich.« Langsam drehte Christine Wallenstein den Kopf und sah Andrew fest in die Augen. »Der Liebhaber meines Bruders war Andrew Campbell«, sagte sie klar und deutlich. »Sie waren seit Jahren zusammen. Mindestens seit dem College, wahrscheinlich schon seit der Highschool.«
Dianna fuhr zurück, und das Blut rauschte in ihren Adern. Sie rang nach Luft und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm. Steve Sterne lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Trotz jahrelanger Erfahrung als Fernsehjournalist konnte er sein Triumphgefühl nicht ganz verbergen. Dies war eine der Sternstunden im Leben jedes Journalisten, das war ihm klar. Er holte zu seinem letzten Schlag aus und wandte sich an Andrew. »Haben Sie etwas zu Mrs. Wallensteins Beschuldigungen zu sagen, Mr. Campbell? Waren Sie jener geheimnisvolle homosexuelle Liebhaber, den Jordan Edgar mit seinem Tod geschützt hat?«
Die Steinfassade begann zu bröckeln und brach zusammen. Verzweifelt sah Andrew Christine Wallenstein an. »Jordan bat mich zu schweigen«, sagte er. »Aber ich hätte nicht auf ihn hören sollen. Es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten. Was passiert ist, tut mir leid, unendlich leid. Wenn ich die Uhr zurückdrehen und meinen Fehler korrigieren könnte, glauben Sie mir, ich würde es tun. Ihr Bruder war ein wunderbarer Mann, und ich habe ihn sehr geliebt.« Er hielt plötzlich inne und legte die Hand über die Augen. Dann löste er das Mikrofon, das unter seinem Jackenaufschlag verborgen war, stand auf und verließ die Szene. Die Kamera zeigte nur noch seinen leeren Stuhl.
Steve Sterne flüchtete sich in eine weitere Werbepause, und Dianna holte tief Luft. Es war geschafft. Andrew Campbell war öffentlich in Misskredit gebracht worden. Nicht nur wegen seiner homosexuellen Beziehung, sondern weil er geschwiegen und tatenlos zugesehen hatte, wie sein Partner alle Folgen ihres Verhältnisses allein auf sich nahm. Endlich musste er für seine Sünden zahlen.
Und weshalb ist mir jetzt nicht nach Feiern zumute?, fragte Dianna sich benommen. Dies war ein gewaltiger Triumph. Nach dem heutigen Abend konnte sie sicher sein, dass Andrew Campbells Karriere als Politiker beendet war. Er war am Boden. Ruiniert. Fertig. Endlich waren seine zahlreichen Opfer gerächt.
Sie sollte halb wahnsinnig sein vor Freude. Und sie fragte sich, weshalb sie weinte.
Er war wütend und raste so vor Zorn, dass er am ganzen Körper zitterte. Sharon war voller Mitgefühl und wiederholte unablässig, wie schrecklich alles sei und dass die
Weitere Kostenlose Bücher