Feuerscherben
korrektes Kostüm bei ihrem ersten Gespräch mit den Campbells trug. Da er ihre Kleidung bezahlte, hatte sie sich nicht dagegen gewehrt. Der schmale, enge Leinenrock fühlte sich wie ein übergroßes Korsett an, und die Strumpfhose und die hochhackigen Sandaletten waren noch schlimmer.
Wenn reich sein bedeutet, dass man täglich solche Sachen tragen muss, hat Armut einiges für sich, dachte Dianna.
»Werden Sie von Mr. Campbell erwartet, Sir?«, fragte der Wachmann am Tor freundlich, aber misstrauisch. Hal fuhr einen Toyota Camry, der schon bessere Tage gesehen hatte. Die Besucher des Laurel Manor Country Clubs kamen selten in einer weniger luxuriösen Limousine als einem Mercedes.
»Selbstverständlich erwartet Mr. Campbell uns«, erklärte Hal nachdrücklich. »Mein Name ist Hal Doherty, und dies ist Claire Campbell.«
Claire Campbell. Schon bei dem Klang des Namens befiel Dianna eine Heidenangst. Vor zwei Monaten, als Hal ihr seinen Plan erklärt hatte, war ihr das Täuschungsmanöver noch ganz einfach vorgekommen – wie etwas, das sie mühelos durchziehen konnte. Doch heute Morgen war ihr Mut restlos verschwunden. Angesichts der Wirklichkeit dessen, was sie vorhatte, wünschte sie, sie wäre tausend Meilen weit weg von jedem Haus, in dem sich ein Campbell befand.
»Danke, dass Sie gewartet haben, Mr. Doherty.« Der Wachmann kam aus dem Pförtnerhaus heraus, ein tragbares Telefon in der Hand. »Mr. Maxwell bittet Sie, zu ihm zu kommen. Folgen Sie der Straße um den Golfplatz, und fahren Sie zu dem zweiten Gebäude hinter den Tennisplätzen.«
»Ich kenne das Haus«, sagte Hal und trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad. »Ist Andrew Campbell zu Hause?«
»Das weiß ich nicht, Sir. Ich habe nur mit Mr. Maxwell gesprochen.« Der Pförtner öffnete das elektronisch gesicherte Tor, und Hal fuhr auf das makellos gepflegte Gelände des Laurel Manor Country Clubs.
Dianna starrte geradeaus. Ihr Blick war vor Aufregung so verschleiert, dass sie weder die leuchtend roten Hibiskusbüsche noch die glatte Fahrbahn der Privatstraße wahrnahm.
»Da waren wir.« Der Wagen blieb ruckartig stehen. Hal schaltete den Motor aus und betrachtete Dianna ein letztes Mal prüfend. »Es geht los, Claire.«
Schon wieder dieser Name. Dianna merkte, dass sie sich innerlich instinktiv dagegen wehrte. Großer Gott, sie musste verrückt sein – absolut wahnsinnig –, wenn sie sich einbildete, damit durchzukommen. »Ich schaffe es nicht«, sagte sie. »Tut mir leid, Hal, du musst mich unbedingt wieder wegbringen.«
»Jetzt ist es zu spät für Gewissensbisse«, erklärte Hal bestimmt. Er stieg aus und eilte auf die andere Wagenseite, um ihr herauszuhelfen. Dianna wollte in höchster Panik fliehen, doch er packte ihren Ellbogen und zerrte sie die Stufen zur Haustür hinauf. »Dich erwarten fünf bis fünfzehn Jahre Staatsgefängnis, wenn du die Sache verdirbst, Claire. Beruhige dich also, und erinnere dich an alles, was ich dir beigebracht habe.« Er drückte auf die Türglocke.
Eine dunkle untersetzte Frau öffnete. Sie schien Hal wiederzuerkennen, denn sie nickte ihm anerkennend zu. »Buenos dias, Senor.«
»Guten Morgen, Isabella. Wir möchten mit Mr. Campbell sprechen.«
»Mister Campbell ist nicht da, Senor. Mister Maxwell erwartet Sie.« Die Hausangestellte warf Dianna einen Seitenblick zu. »Sie auch, Senorita. Bitte folgen Sie mir.«
Der Laurel Manor Country Club gehörte zu den neueren Einrichtungen von Campbell Properties, und das Haus war keine vier Jahre alt. Es war also erst nach Claires Verschwinden gebaut worden, und Dianna brauchte nicht so zu tun, als wäre ihr alles bekannt. Ihre hohen Absätze klapperten auf dem Marmorboden und machten einen furchtbaren Lärm in dem bedrückend stillen Haus. Vor einer Doppeltür blieb das Hausmädchen stehen und klopfte. »Die Besucher sind da, Senor.«
»Führen Sie die Leute herein«, antwortete eine leise männliche Stimme.
Die Frau öffnete die Türen, und Hal schlenderte hindurch. »Komm mit, Claire«, forderte er Dianna auf. »Ich möchte dich mit Ben Maxwell bekannt machen.«
Dianna betrat den gewaltigen Raum, und ihr Herz trommelte so heftig gegen ihre Rippen, dass sie Schwierigkeiten mit dem Atmen bekam. Ein gut aussehender dunkelhaariger Mann saß hinter dem Schreibtisch aus Kirschbaum, der im rechten Winkel zu einem schattigen Erkerfenster stand. Wegen der Hitze in Florida trug er weder ein Jackett noch eine Krawatte. Doch sein Hemd war makellos
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