Feuerscherben
in Wyoming aufgewachsen wärst, würdest du es verstehen. Vierzehn Schüler unseres Jahrgangs machten damals den Highschool-Abschluss, und nur zwei gingen aufs College. So etwas verbindet.« Sie sprang auf, lief zum Kühlschrank und kam mit einem neuen Päckchen Zigaretten und einem Paket Kartoffelchips zurück. Sonya lebte abwechselnd von Fertiggerichten und Feinschmeckermenüs, die sie ebenso gut zubereitete wie die besten französischen Restaurants. Im Moment war sie offensichtlich in der Fertiggerichtperiode, und die Chips waren als Abendbrot gedacht. Deshalb griff Dianna resignierend zu. Mit sehr viel Glück waren ein paar Eier und Butter im Kühlschrank, sodass sie Rührei auf Toast machen konnte, bevor sie nach Hause ging. Die Erfahrung hatte sie allerdings gelehrt, sich nicht allzu stark darauf zu verlassen.
Sonya verhielt sich schon den ganzen Nachmittag merkwürdig geistesabwesend. Dianna beobachtete sie heimlich. Die Freundin ging zum Fenster, riss es auf und ließ die schwülheiße Luft herein. Sie zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch zum Fenster hinaus. Reichlich spät war ihr eingefallen, dass Diannas Gesundheit auch durch passives Rauchen geschädigt werden konnte. »Wir müssen unbedingt miteinander reden«, begann sie endlich.
»Wir reden doch, seit ich hier bin«, stellte Dianna fest. »Ja.« Sonya wich ihrem Blick aus. »Aber wir müssen über deine irrsinnige Besessenheit reden.«
»Welche Besessenheit?«, fragte Dianna, obwohl sie die Antwort kannte. »Wenn es nach dir geht, habe ich viele.«
»Andrew Campbell«, antwortete Sonya barsch. »Er ist im Moment die Ursache für deine Neurosen. Sieh es endlich ein, Di. Deine Einstellung gegenüber dem Mann ist nicht normal, und mir schadet sie sogar. Ich kann es mir nicht leisten, die Recherchen über Andrew Campbell fortzusetzen. Mein Redakteur liebt politische Skandale. Er weiß, dass ich eine gute Nase dafür habe. Deshalb lässt er mir freie Hand, solange ich meine übrigen Aufgaben darüber nicht vernachlässige. Doch jetzt ist er mit seiner Geduld am Ende. Er hat mich aufgefordert, keine Zeit und kein Geld mehr mit einem Thema zu verschwenden, das sich nicht auszahlt.«
Sonya drehte sich um und richtete sich hoch auf. »Er hat Recht, Di. Wenn du mir keinen guten Grund nennen kannst, weshalb ich Andrew Campbell weiter ausforschen soll, muss ich die Recherchen einstellen und mich mit etwas anderem befassen. Was ich zurzeit tue, sind keine gerechtfertigten Nachforschungen über die Vergangenheit einer Gestalt des öffentlichen Lebens. Du verlangst von mir, dass ich dir helfe, den Charakter eines angesehenen Kandidaten für ein öffentliches Amt zu beschmutzen, und das ist unverantwortlich. Das kann ich nicht. Nicht einmal für dich, Darling.«
Dianna hatte gewusst, dass dieses Gespräch kommen würde, seit sie vorige Woche aus Florida zurückgekehrt war. Die Tatsache, dass Sonya Recht hatte – zumindest aus ihrer Sicht –, erleichterte ihr die Unterhaltung nicht. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie ballte die Hände. Diesen Kampf konnte sie nicht gewinnen. Deshalb entspannte sie sich wieder und lächelte der Freundin zu.
»Natürlich, das verstehe ich«, sagte sie. »Ich verstehe dich vollkommen. Danke für all die Hilfe, die du mir bisher hast zukommen lassen. Das weiß ich wirklich zu schätzen, Sonya. Mir ist klar, wie viele Stunden du dafür investiert hast, und ich werde einen Weg finden, dich irgendwie dafür zu entschädigen.«
Verärgert verzog Sonya den Mund. »Zum Teufel, Di, was soll das?«
»Was?«
»Du bist so höflich, dass es einem eiskalt wird. Schrei herum. Brüll mich meinetwegen an. Offensichtlich liegt dir furchtbar viel daran, Andrew Campbell zur Strecke zu bringen. Macht es dir gar nichts aus, dass ich aufhören will?«
»Doch, natürlich tut es das.«
»Dann überzeug mich davon, dass ich weitermachen muss. Oder verrat mir endlich, was es mit diesem Rachefeldzug gegen den Mann auf sich hat.« Wütend zerdrückte Sonya ihre Zigarette im Aschbecher. »Wie wäre es, wenn du mir zur Abwechslung einmal die Wahrheit erzählen würdest? Oder habe ich immer noch kein Recht darauf? Weshalb kommt es mir nach vier Jahren Freundschaft immer noch vor, als stünde ich bei dir auf einem Prüfstand? Glaubst du, weil ich lesbisch bin, kannst du mir nur bis zu einem gewissen Grad trauen?«
»Nein, natürlich nicht!« Dianna war ehrlich entsetzt. »Du liebe Güte, das hat doch nichts damit zu tun, ob du lesbisch,
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