Feuersteins Drittes
hängt, gerahmt noch dazu, wie man mir mehrfach berichtete. Sondern weil wir Touristen die Überlebensgarantie der Padaung sind.
Dafür dürfen Sie sich die »Brücke am Kwai« schenken. Zumindest das, was dort für jeden Abend als »Ton- und Licht-Show« angekündigt ist.
Buch und Film haben die Brücke, bei Kanachaburi westlich von Bangkok gelegen, zum Pflichtstück für Touristen gemacht, vor allem, wenn sie aus Amerika, England oder Japan kommen, denn sie ist der stumme Zeuge eines kriegerischen Wahnsinns. Anfang des Zweiten Weltkriegs, als Thailand noch mit Hitler sympathisierte und mit dem japanischen Kaiser ein Bündnis schloss 24 , nutzten die Japaner diese neue Freundschaft, um eine Eisenbahnlinie von Bangkok nach Birma zu bauen, mehr als tausend Kilometer quer durch Berge und Dschungel, zur Sicherung des Nachschubs im Krieg gegen die Engländer. Da dies in möglichst kurzer Zeit passieren sollte, fand ein rücksichtsloses Menschenopfer statt: 250000 asiatische Zwangsarbeiter und über 60000 alliierte Kriegsgefangene wurden für den Bau eingesetzt, mehr als ein Drittel kam dabei ums Leben.
Amerikanische Bomber zerstörten die Brücke im letzten Kriegsjahr, und die Japaner bauten sie als Geste der Versöhnung später wieder auf. Die Bahnstrecke selbst aber zerfiel schneller, als sie errichtet wurde. Nur die paar Kilometer bis Nam Tok wurden wiederhergestellt, wie jeder weiß, der mit dem Orientexpress diesen kleinen, romantischen Schlenker auf dem Weg von Bangkok nach Singapur gefahren ist.
Natürlich sollten Sie einmal über diese Brücke laufen. Zwischen den Schienen ist ein Brettersteg ausgelegt, und Sie können sich gefahrlos darauf bewegen, denn Züge verkehren hier nur alle paar Stunden und fahren im Schritttempo, mit gewaltigem Warngetöse im Vorfeld. Aber es lohnt nicht, dafür über Nacht zu bleiben, denn das abendliche Spektakel ist eintönig und ermüdend: endlose Erzählungen meist nur auf Thai, dazu Kampflärm aus dem Lautsprecher, ein bisschen Feuerwerk, und schließlich ein Zug, der in gespenstischem Farblicht schmauchend und pfeifend über die Brücke fährt.
Um ehrlich zu sein, gibt es auch noch einen ganz persönlichen Grund, warum mir diese Brücke unsympathisch ist: wegen eines missglückten Drehs, an dem Wolpers ausnahmsweise unschuldig ist.
Zwar sind es die Thailänder gewohnt, dass wir Farangs diesen Fluss »Kwai« nennen, aber ein bisschen peinlich ist es ihnen schon. Denn kwai bedeutet auf Thailändisch »Penis«, zum Fluss sagen sie kwae. Weil ich das komisch fand, wollte ich es natürlich in meine Moderation einbauen, als Schlusspointe der Szene, wenn gerade ein Zug über die Brücke donnert. Ich weiß noch genau, wie mein letzter Satz lauten sollte: »Wenn Sie sich verirrt haben und den Fluss suchen, bitten Sie niemals einen Einheimischen, er solle Ihnen den kwai zeigen, denn kwai heißt auf Thailändisch >Penis Das war eine billige Zote, aber durch einen raffinierten Dreh wollten wir sie zum Kunstwerk erheben: Ich würde mitten auf dem Fluss am Brückengeländer stehen, in einer der vielen Ausbuchtungen zum Schutz der Fußgänger, Stefan mit seiner Kamera mir gegenüber auf der anderen Seite. Kurz bevor der Zug zwischen uns durchbraust, würde ich zu reden beginnen. Da die Uralt-Waggons nur gekoppelt waren, nicht aber miteinander verbunden, würde dazwischen immer wieder für den Bruchteil einer Sekunde mein Gesicht auftauchen... Und genau da sollte das Wort »Penis« fallen.
Nun kriegt man natürlich keine vernünftige Tonaufnahme zustande, wenn man vor einem fahrenden Zug steht und redet, weshalb wir das Ganze trennten: erst das Bild, für das es ohnehin nur eine einzige Chance gab, ohne einen halben Tag auf den nächsten Zug warten zu müssen, und danach in aller Ruhe der Ton, den man ja im Schnitt an jede beliebige Stelle schieben konnte. Wichtig war nur, dass das Wort »Penis« lippensychron auf meinem Mund lag, wenn ich jeweils zwischen den vorbeidonnernden Wagen sichtbar wurde.
Und so geschah es, liebe Freunde des gepflegten Humors, dass ich in Thailand mitten auf einer Brücke stand und siebzehn Mal aus vollem Hals »Penis!« schrie, wann immer ich auf der anderen Seite die Kamera sah. Was das wohl für einen Eindruck bei den Leuten im Zug hinterlassen hat? Ich könnte mir vorstellen, dass auch heute noch Leute, die in Schottland oder Texas in alten Reisefotos kramen, plötzlich nachdenklich werden. »Weißt du noch, Martha, wie wir damals in Thailand waren
Weitere Kostenlose Bücher