Feuersteins Drittes
aber bekanntlich hatten ja auch die Redakteure des STERN viel Spaß mit »Hitlers Tagebüchern«, ehe sie merkten, dass sie einem Schwindel aufgesessen waren.
Schon in Deutschland hatten wir von dem Waldkloster gehört (Tham bedeutet so viel wie »Höhle«), und die Idee klang bestechend: Jugendliche Junkies, bei denen alle anderen Methoden versagt haben, würden hier unter der Aufsicht von Mönchen durch Steineklopfen, Meditation und kollektiven Druck zum harten Entzug gebracht, vor allem aber durch ein Kräutergetränk, nach dessen Einnähme sie stundenlang ihre Seele aus dem Leib würgen und sie dadurch gewissermaßen erneuern — unter dem Ansporn und Jubel sämtlicher Teilnehmer. Nach vier bis sechs Wochen dieser Rosskur wären sie geheilt und würden schon beim Anblick von Drogen das Kotzen kriegen.
Die Zufahrt zum Kloster über einen langen, holprigen Feldweg ist eindrucksvoll: Unvermutet tauchen zwischen den Hügeln baumgroße Buddha-Statuen auf, die wie Steinkolosse wirken, aber nur mit grauem Lehm beschichtete Holzgerüste sind. Dahinter sehen wir Pyramiden aus groben Felsbrocken, vor denen Halbwüchsige hocken und sie mit Hammer und bloßen Händen in schottergroße Stücke zerhauen. Dann endet der Weg vor einem noch gewaltigeren Buddha, sicher zehn Meter hoch, als Wächter vor den Gebäuden der Klosteranlage.
Abt Gordon persönlich empfängt uns, ein schwarzer Ex-GI mit Vietnam-Vergangenheit und Harlem-Akzent, der als Nachfolger eines deutschen Mönchs namens Peter Reiter das Kloster leitet. Er trägt die braune Robe der Landmönche, die zum Unterschied von den safrangelb gewandeten »normalen« Mönchen meist in der freien Natur leben und in frommer Kargheit jede auch noch so weite Strecke zu Fuß zurücklegen. Freundlich, beinahe überschwänglich begrüßt er mich, und kaum hatte Stefan seine Kamera herausgerissen, beginnt auch schon seine Führung.
»Das sind die Neuzugänge«, erklärt Gordon und zeigt auf Jammergestalten, die in Gitterkäfigen eingepfercht sind, verspottet von den bereits Fortgeschrittenen, denn ohne Erniedrigung keine Erleuchtung, lautet die Regel. Dann kommen wir an der Küche vorbei, daneben das Kräuterlabor für die Reinigungstinktur — und plötzlich wimmelt es rund um uns von jungen Menschen. Beim Erscheinen des Abtes formieren sie sich wie auf ein Kommando zu ordentlichen Reihen, beginnen zu trommeln und zu singen, und dann treten die Novizen nach vorn, ein Dutzend Jungen und ein Mädchen. Sie knien vor Plastikeimern nieder und empfangen aus einer Kokosnussschale den Wundertrank. Sie nehmen einen tiefen Schluck, verdrehen die Augen nach oben — und übergeben sich. Tapfer trinken sie weiter, und sofort kommt alles hoch. Immer und immer wieder, dass es in den Eimern nur so platscht.
Tolle Bilder, bewegende Szenen, faszinierende Handlung — was könnte man für einen Reportagefilm mehr erwarten? Höchstens noch, dass die Geschichte auch stimmt. Das tat sie nämlich leider nicht.
Natürlich hätte ich bereits zu Anfang der Begegnung misstrauisch werden können, als Abt Gordon eine Zigarette nach der anderen ansteckte. Denn Rauchen gehört nicht zu den mönchischen Tugenden, und Kettenrauchen in einem Entziehungsheim schon gar nicht. Auch dass er die vereinbarte »Spende«, das Eintrittsgeld für den Dreh, schon im Voraus in Empfang nahm und sofort in sein Büro trug, war ungewöhnlich; ein Abt im Geiste Buddhas verachtet Geld — man legt es diskret irgendwo neben ihn, und er würde sich niemals dafür bedanken, da das Schenken eine Gnade für den Geber ist, nicht für den Nehmer.
Mir hätte auch auffallen müssen, dass er der einzige Mönch unter den Hunderten von Heilsuchern war, kein zweiter ließ sich während des ganzen Tages blicken. Und ebenso unübersehbar war der nagelneue Luxus-Mercedes vor seiner Tür, wo er doch laut Ordensregel niemals ein Fahrzeug benutzen dürfte. Spätestens aber als wir vor dem Generatorenhäuschen des Klosters standen, hätte mir endgültig ein Licht aufgehen müssen. Denn als ich Gordon angesichts der vielen Fässer fragte, wie sich das Kloster den Treibstoff leisten könne, antwortete er, mittels einer magischen Formel und Buddhas Segen würde er Wasser in Diesel verwandeln. Ich hielt dies für eine mystische Übertreibung und nahm es nicht weiter ernst. Auch im Vatikan gibt es schließlich eine eigene Abteilung für Wunder. Und wenn die Kamera läuft, ruht der Verstand.
Erst ein gutes Jahr später, als der Film längst fertig
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