Feuersteins Drittes
gestellt und schon mehrfach ausgestrahlt war, erfuhren wir: Gordons Kloster ist geschlossen, und der Abt sitzt wegen Drogenhandels im Knast. Wenn auch die Idee mit der ausgekotzten Seele anfangs echt und für viele erfolgreich war, war die Anlage unter seiner Führung zu einer Fassade für allerlei illegale Aktivitäten verkommen. Angeblich wurden die »Geheilten« zu Drogenkurieren ausgebildet...
Wenn wir gerade bei den Klöstern sind: Hüten Sie sich auch vor solchen, in denen eine floating nun angekündigt ist, eine im Wasser schwebende Nonne. So was gibt es gleich mehrfach im Land und soll die Kraft der Meditation beweisen, mit deren Hilfe ein frommes Mädchen reglos im Wasser treibt, ohne unterzugehen. Man zahlt Eintritt und darf dann im Blitzlichtgewitter der vorwiegend chinesischen Besucher zuschauen, wie eine weiß gekleidete Frau nach allerlei Brimborium in einen trüben Tümpel steigt und mit ausgebreiteten Armen, den Blick ins Jenseits gerichtet, zum Treibholz wird. Dank zahlreicher Luftkammern, diskret, aber deutlich erkennbar in der Unterwäsche versteckt, KANN sie gar nicht versinken, selbst wenn sie zusätzlich einen Mühlstein trüge. Man könnte natürlich Klarsicht fordern, aber Nonnen im Bikini lässt selbst der tolerante Buddhismus nicht zu.
Und nun zum Thema: Wie sehenswert ist Selbstverstümmelung.
Die Freak Show und das Monstrositätenkabinett sind fester Bestandteil unserer Kulturgeschichte. Noch in den fünfziger Jahren durfte auf keinem Rummelplatz die »Dame ohne Unterleib« fehlen, und auf dem Münchner Oktoberfest freuen wir uns auch heute noch über jede gelungene Hinrichtung beim Schichtl. In Thailand gibt es ganz oben links, bei Mae Hong Son an der Grenze zur Birma, so was Ähnliches, und ich bin mir nicht sicher, ob ich es Ihnen empfehlen oder lieber davon abraten soll: das Dorf der Padaung, der Frauen mit den Giraffenhälsen.
Die Padaung sind eine Untergruppe des landlosen, im Dauerkonflikt zwischen Thailand und Birma zerriebenen Karen-Volkes, nicht viel mehr als etwa siebentausend Menschen, die nach jahrzehntelanger Verfolgung auf der thailändischen Seite entlang der Dschungelgrenze eine Art halb legales Asyl gefunden haben. Junge Männer werden Sie in diesen Dörfern nur selten finden — man sagt ihnen allerlei Schlimmes nach, vom Rauschgifthandel bis zum Guerillakrieg. Dafür aber Frauen jeden Alters mit gewaltigen Metallgewinden um den Hals, die Sie gegen Entgelt, an der Dorfkasse zu entrichten, wie im Zoo bestaunen können.
Im Alter zwischen fünf und sieben Jahren windet man den Mädchen nach alter Sitte die erste Messingspirale um den Hals, später kommen weitere dazu, wahlweise auch um die Oberarme und unter die Knie. Das Schönheitsideal ist erreicht, wenn der Hals auf doppelte Länge gestreckt erscheint. Die Kopfhaltung wirkt dadurch stets stolz und erhaben, unter dem Kinn liegt wie bei manchen Konzertgeigern ein kleines Kissen. Nicken ist unmöglich, Beugen geht nur mit dem Rumpf. Das Gesamtgewicht des Metalls kann bei erwachsenen Frauen bis zu fünfzehn Kilo betragen. Verändert haben sich die Halswirbel dadurch nicht, es wurden nur Schulterknochen und Brustkorb nach unten gedrückt und alle Sehnen und Bänder enorm überdehnt. Es ist ein lebenslängliches Schönheitsideal: Beim Abnehmen der Spiralen wäre der Kopf haltlos, und das Genick würde brechen.
Nun kann man argumentieren, dass Selbstverstümmelung zum Zwecke echter oder eingebildeter Schönheit das gute Recht eines jeden Menschen ist, egal, ob es sich um afrikanische Lippenpflöcke handelt oder das Zungen-Piercing bei deutschen Friseusen. Auch an Silikon-Implantaten kann man schließlich sterben. Andererseits lässt sich ein Giraffenhals nur im Kindesalter formen, und bei Fünfjährigen kann man wohl kaum von freier Wahl und Selbstbestimmung sprechen. Eigentlich müsste man also strikt dagegen sein, wäre da nicht die politische Realität: Als Touristenattraktion haben die Padaung eine sichere und geschützte Existenz in Thailand, da ja auch das Umfeld an ihnen verdient. Der Rest des Karen-Volks hat es wesentlich schwerer: Hunderttausende von ihnen sind Zwangsrekruten in der birmesischen Armee, Drogenschmuggler im Goldenen Dreieck, illegale Halbsklaven in Thailand oder Dschungelkämpfer in einem aussichtslosen Dauerkonflikt.
Ich überwinde mich jetzt mal und sage: Fahren Sie trotzdem hin. Nicht nur, weil dort in einer Hütte von Mutter und Tochter wie bei den Schneidern von Bangkok mein Autogrammfoto
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