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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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der Passkontrolle anstellen soll: Egal, für welche man sich entscheidet, sie wird immer die langsamste sein. Deshalb war völlig klar, dass der Ecktisch, den ich ansteuerte (ich bevorzuge Ecktische, weil ich in Amerika gelernt habe: An einem Ecktisch kann man nicht von hinten beschossen werden), der falsche sein würde. Und er war der falsche.
    Ich eröffnete das Gespräch mit der größten Heuchelei, zu der ich fähig bin: mit Leutseligkeit. Locker-flockig stellte ich mich und meine Frau vor und fragte, Spaßvogel ich, ob sie wohl ebenfalls alle nach Pagan führen. Als Antwort erhielt ich von den Männern zwei namensähnliche Geräusche, von den Frauen zwei Schweigeminuten, und von allen vieren leere Blicke durch mich hindurch in die Unendlichkeit des Alls. Wahrscheinlich Buddhisten auf der Suche nach dem Nirwana, dachte ich und setzte mich. Denn das kenne ich aus dem Showbusiness: Der beste Spruch %ur falschen Zeit — bringt dich nur in Verlegenheit , heißt die Merkregel. In der Praxis bedeutet das: Einem Publikum, das seine Ruhe haben will, drängt man sich nicht auf, man witzelt nicht bei Firmenpleiten oder Zeugenaussagen vor Gericht, und auch nicht, wenn der Bundespräsident bei seiner Grundsatzrede furzt. Solche Zurückhaltung ist oft übermenschlich schwer, vor allem, wenn man so witzig ist wie ich, erweist sich aber im Zweifelsfall stets als die richtige Strategie: Schweigen macht sympathisch und verschlimmert zumindest nichts. Also lächelte ich stumm meine Frau an, und diese lächelte stumm zurück, in der Hoffnung, dass das Nirwana auch zu uns kommen würde. Aber stattdessen kam der Kellner und brachte unseren Nachbarn Bier. Acht Flaschen für vier Nachbarn. Worauf einer von ihnen das Schweigen brach und »Skol« sagte, und zwar mit diesem seltsam klingenden O-Laut, den es eigentlich gar nicht gibt und der deshalb beim Niederschreiben auch in Skandinavien immer sorgfältig durchgestrichen wird. Da wusste ich: Wir hatten uns zu den Schweden gesetzt.
    Damit jetzt nicht der leiseste Verdacht aufkommt: Ich hege keinerlei Vorurteile gegenüber anderen Ländern, und schon gar nicht gegen Schweden; ich bin auch nicht im Geringsten rassistisch angehaucht, sondern völlig neutral, denn mir sind alle Menschen gleich unsympathisch, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Religion. Jede andere Haltung wäre für einen gebürtigen Österreicher mit dieser Riesenlast an defektem Erbgut ohnehin nur lächerlich. Abweichungen von der Norm empfinde ich deshalb nicht als Makel, sondern als Bereicherung. Ich will ja auch nicht im Zoo immer nur dieselben Tiere sehen.
    Im Unterschied zu den Rheinländern, deren Frohsinn genetische Ursachen hat und deshalb jedem Heilungsversuch widersteht, handelt es sich bei den Schweden um eine erworbene Abnormität, die aber nur im Ausland auftritt: den Suff-Zwang. Seine Ursache dürfte darin liegen, dass Alkoholisches im Inland nur umständlich zu erwerben ist, dazu überhöht teuer und gesellschaftlich tabuisiert. Daraus ergibt sich ein Triebstau, der bei jeder Überschreitung der Landesgrenze den unwiderstehlichen Zwang auslöst, Alkoholprodukte auf der Stelle zu vernichten, indem man sie trinkt. Nichts wäre ungerechter, als die Schweden deshalb als Volk von Säufern zu brandmarken — im Gegenteil: Zu Hause sind sie mit ihren Tugenden Vorbild für die ganze Welt, und bestimmt waren unsere vier Nachbarn und ihre Kumpanen nebenan allesamt umgängliche und gebildete Leute, wahrscheinlich Filmregisseure, Friedensforscher oder Nobelpreis-Stifter, was eben Schweden so sind. Aber hier waren sie im Ausland, und da konnten sie nicht anders: Seit dem Ablegen hatten sie in der Bar gesessen, die Whiskyflasche als stete Aufforderung zur Vernichtung ihres Inhalts vor sich, und nach der Mahlzeit würden sie sich, gut ausgerüstet natürlich, aufs Sonnendeck verziehen, auf die kleine Plattform vor der Steuerbrücke, wo sie als eine Art Galionsfiguren ihr Vernichtungswerk in katatonischer Starre fortsetzten, schon von weitem sichtbar als Warnung für die einheimische Bevölkerung: »Versteckt das Bier, die Wikinger kommen.« Endlich verstehe ich, warum man anatomische Präparate in Alkohol konserviert. Schweden tun dies eben schon zu Lebzeiten. Aber nur im Ausland.
    Zum Abendessen wechselten wir die Sitzordnung. Das war zwar nicht sehr höflich, aber ich bin sicher: Die schwedischen Freunde hatten unsere Abwesenheit genauso wenig bemerkt wie vorher unsere Anwesenheit.
    Unsere neuen Tischgenossen

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