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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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waren die anderen Einzelreisenden an Bord: ein slowenisch-französisches Globetrotter-Paar der Businessklasse und ein Herzspezialist mit Gattin aus der Schweiz, welterfahrene Leute und zudem höflich genug, um beim zweiten Versuch meiner originellen Einleitung (»Na, reisen Sie ebenfalls nach Pagan?«) wenigstens so zu tun, als fänden sie das komisch. Eine gute Wahl also, getrübt nur durch den Umstand, dass zwei von uns sechs kaum Englisch und zwei andere (nämlich wir) kaum Französisch konnten. Immerhin lernte ich in diesen drei Tagen, im passenden Augenblick »LA SOUPE EST BONNE« zu sagen, auch wenn es Pastete als Vorspeise gab, und erfuhr außerdem, dass Öl, stundenlang ins Gesicht getropft, keine besonders fiese Art der Folter ist, sondern eine Spezialität der ayurvedischen Massage. Darüber hinaus fanden wir schnell den verbindenden Gesprächsstoff: das Leid der Individualtouristen, die zwar erheblich mehr zahlen müssen als die pauschalen Horden, aber ihnen gegenüber ständig benachteiligt werden. Wenigstens einen Trost hatten wir: Wir blickten auf die anderen Mitreisenden und fühlten uns überlegen.

Flügel der Nacht

    Nachts schläft das Schiff. Nach Sonnenuntergang sind nur Fischerboote unterwegs sowie die Geister Birmas, die boshaften Nats, die tagsüber oben auf den Felsspitzen wohnen, aber nachts schon mal gern zu den Menschen kommen, um sie zu ärgern.
    Weil Touristen für ihr Geld was vom Land sehen wollen und nicht den Mond, den es gratis auch zu Hause gibt, wird die Fahrt bei der Dämmerung unterbrochen. Gleich also würde der Dieselmotor verstummen, seine Rußwolken würden nach ein paar schwarzen Fürzen versiegen, und die Stille der tropischen Nacht würde sich mit dem sanften Schaukeln in der Wiege eines heiligen, Fruchtbarkeit spendenden Stroms vermählen — ein Zustand, der selbst bei so hoffnungslosen Zynikern wie mir das Gefühl erweckt, ich hätte in den hintersten Gewölben meines Herzens vielleicht doch eine kleine romantische Kaminstube. Na ja, Besenkammer ist realistischer.
    Kapitän U Tin Soe steuerte ein Stück Steilufer an, das an undurchdringliches Dickicht grenzte, fernab jeder Siedlung, man wünscht ja nachts keine ungebetenen Gäste. Das »U« vor seinem Namen ist übrigens der klassische birmanische Ehrentitel und gebührt jeder Person von Rang — vielleicht erinnern Sie sich noch an den stets freundlich lächelnden, sanftäugigen U Thant, einen der ersten Generalsekretäre der UNO. Nur unser Steuermann war noch so ein »U«, alle anderen hatten höchstens ein »Ko« (für Herr) oder gar nichts vor dem Namen.
    In freudiger Erwartung der Nacht auf dem Fluss stiegen die U Feuersteins auf das Sonnendeck, das ja auch nachts noch so heißt, wurden aber von Menschen, die in panischer Flucht nach unten rannten, zur Seite gedrängt. Warum, wurde uns nach wenigen Sekunden klar: Unser Schiff hatte direkt am Ufer festgemacht und alle Lichter gelöscht, bis auf eine kleine, schummrige Positionslampe auf dem Mast — und dieses kümmerliche Licht genügte, um alles, was Flügel hatte oder weit genug springen konnte, aus dem Dschungeldickicht zu locken, von Mücken über Käfer bis zu Faltern von Vogelgröße. Es schwirrte und brummelte rund um uns wie bei der Bühnenprobe für den Schlager-Grand-Prix und zusätzlich knirschte es bei jedem Schritt unter den Füßen, wenn man die langsamen, untalentierten Krabbeltiere zertrat.
    Meine Frau, die ihre eigene Tierkunde entwickelt hat, in der Spinnen und Quallen in die zur Ausrottung bestimmten Stammesklasse der »Ekeltiere« fallen, zählte auf der Stelle die Insekten dazu und schloss sich der Flüchtlingswelle an. Und sogar die Schweden hatten den Rückzug angetreten, als sie merkten, dass der Whisky plötzlich gekaut werden musste, wegen der Käfer, die in ihren Gläsern den seligen Säufertod gefunden hatten.
    Ich blieb allein auf dem Sonnendeck zurück. Nicht, weil ich so tapfer bin, sondern weil mir tierische Nähe nichts ausmacht... und damit meine ich ALLE Tiere — ich bremse auch für Bandwürmer. Dazu bedarf es einer gewissen Abhärtung, wie jeder weiß, der jemals bei der künstlichen Befruchtung von Nashörnern mitgemacht hat, und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich diese Haltung Tierliebe nennen darf, oder ob sie nur eine Form von Gelassenheit ist, die auch ein Imker hat oder der Punk, der mit seinem Hund Essen und Flöhe teilt. Am besten, wir nennen sie »Respekt vor dem Leben«, das klingt nicht so pathetisch und trifft

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