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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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bewunderten handgeformte Lehmziegel und fußgetriebene Töpferscheiben und staunten, wie man mit wenigen Handgriffen einen Schwerlaster bauen kann: Man nehme einen Motor, lege ihn auf den Ochsenkarren und verbinde ihn durch Keilriemen mit den Rädern — mit fünf Stundenkilometern nicht unbedingt autobahntauglich, aber ideal für zehn Reissäcke und ebenso viele Kinder.
    Eindrucksvoll der kurze Halt in Yandabo, wo unter einem Baum 1826 der Friedensvertrag zwischen Birmesen und Engländern geschlossen wurde. Der Baum ist noch da, der Frieden verwandelte das Land in eine Kolonie. Und nicht weniger eindrucksvoll der Landausflug in die staubige, quirlige Stadt Pakokku, deren Hauptattraktion an diesem Tag eindeutig wir selbst waren: eine Kolonne von dreißig Fahrrad-Rikschas, »Trishas« genannt, mit ebenso vielen meist übergewichtigen, aus allen Rohren fotografierenden Europäern, die wie ein plötzliches Unwetter durch die Straßen fegten. Wer aus der Königsstadt Mandalay kommt oder gar aus Pagan mit seinen tausend Pagoden, braucht die von Pakokku wirklich nicht mehr zu besuchen, weshalb die wilde Jagd bei den Zigarrenwicklern endete, wo junge Mädchen in heißer, stickiger Luft das ungesunde Kraut zu noch ungesünderen Glühstängeln rollten. 32
    Anschließend fielen die Rheinländer in die Markthallen ein. Wir Einzelreisende natürlich nicht, weil wir so was schon tausendmal gesehen haben und deshalb mit gutem Recht hochnäsig sind, egal, wie aufregend es riecht und was für tolle Fotomotive sich dort bieten würden. Bei mir kommt hinzu, dass ich mir dann immer vorstelle, wie es wohl umgekehrt wäre, wenn eine Gruppe australischer Aborigines samt Reiseführer unsere Aldis heimsuchen, die Gänge blockieren und über Pfandflaschen staunen, aber nichts kaufen würde. Und auch die Schweden verweigerten sich dem Markt, aber aus anderen Gründen: Sie saßen in einer Bierbar und hatten zu tun.
    Übrigens, zur Ehrenrettung der Rheinländer: Sie waren zwar abends laut, haben aber in allen drei Tagen kein einziges Mal geschunkelt. Nicht einmal Kamellen geworfen. Und zur Ehrenrettung der Nats: Sie sind zwar boshaft, aber gerecht. Am zweiten Tag sorgten sie nämlich dafür, dass die Wasserleitung barst. Das bedeutete nicht nur den Abschied vom Duschen, sondern auch das Ende der Klospülung, und jetzt roch es nicht mehr nach Diesel nur für uns, sondern nach Scheiße für alle.
    Am Morgen des dritten Tages war die Reise beendet. Dreihundert Kilometer auf einem gewaltigen Strom, und keine Spur seekrank. Was kann das Wasser doch schön sein.
    Ein Stück außerhalb von Pagan, wo es der Wasserstand zuließ, hatten wir festgemacht. Oben, auf dem Kamm des Steilufers, sahen wir die Konturen von Bus und Hotellimos für die Mitpassagiere, Trägerkolonnen schleppten ihre Koffer hoch. Nur wir standen auf den Brettern, die den Pier bedeuten, und blieben dort stehen. Bis Mittag. In glühender Hitze. Nicht, weil wir uns von dem wunderbaren Fluss nicht trennen wollten, sondern weil der Abholer vom Hotel nicht gekommen war. Don Williams hatte ihm die falsche Ankunftszeit mitgeteilt.

NEW YORK

Malen mit Herz (und Nieren)

    »New York: DIE SCHATZINSEL« hieß mein neunter Reisefilm, und nach dem Stand der Dinge 33 war es mein letzter. Für Wolpers war ich damit überflüssig geworden. Es gab keinen Grund mehr für ihn, mich am Leben zu lassen. Logisch wäre es daher, ja, fast zwingend, wenn dieses letzte Kapitel meiner drei Reisebücher mit meinem Tod endete.
    Natürlich hat er es versucht. Aber lange nicht so besessen wie auf unseren früheren Reisen, als er mich nach Art der amerikanischen Welteroberer mit Hubschraubern angreifen ließ, um mich im ewigen Eis Alaskas in Schluchten zu wirbeln oder auf mexikanischen Götterpyramiden von Rotorblättern zu zerstückeln. Er war merklich milder geworden, fast schon menschlich, obwohl er doch Produzent war, längst auf dem Weg zum Medienhengst und Quotenquetscher, der er heute ist. Ich glaube aber nicht, dass es die Wehmut des nahenden Abschieds war, die ihm diese Zurückhaltung auferlegte. Wahrscheinlich hatte er einfach nur Schiss vor der neuen New Yorker Gesetzesstrenge, wo man lebenslänglich kriegt, wenn man eine Zigarettenkippe fallen lässt — was ich als Nichtraucher übrigens großartig finde.
    Immerhin gelangen Wolpers auch in New York drei Mordanschläge auf mich, wenn auch von recht unterschiedlicher Qualität: ein grotesker (ein wahnsinniger Arzt sollte mir unter dem Deckmantel der

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