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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Verkürzung von »John from America«. An ihrem Hauptsitz auf Tanna wurde mitten im Dorf eine Flugplatz-Attrappe angelegt. Jeden Freitag ziehen hier die Gläubigen in alten, amerikanischen Armeeuniformen auf, hissen ein zerschlissenes Sternenbanner, spielen auf einem Kassettenrekorder die amerikanische Hymne — und starren gen Himmel in der Hoffnung auf den Geschenk-Messias, der aber, wie es sich für einen Messias gehört, auf sich warten lässt.
    Auch wir starrten gen Himmel, als wir nach vier Tagen wieder in der Hauptstadt Port Vila waren, in der Hoffnung auf unseren Hubschrauber, der aber nach messianischem Vorbild ebenfalls auf sich warten ließ — und dies im wahrsten Sinn des Wortes. Denn für den Notfall war er so viel unterwegs gewesen, dass jetzt seine Wartung fällig war. Damit muss man bei diesem Fluggerät rechnen, das weiß jeder Profi: Alle 20 Flugstunden eine kleine, alle 80 eine große Kontrolle. Dient ja auch unserer eigenen Sicherheit.
    Für alle Fälle begannen wir schon mal über eine Alternative der Anfangsszene nachzudenken. Wolpers hatte eine wunderbare Idee: Ich sollte bei Ebbe auf einer Sandbank stehen, die von der hereinströmenden Flut allmählich überspült wird. Wir würden das mit »zementierter Kamera« drehen, das heißt, die Kamera bleibt fixiert und die Szene wird in einzelnen Etappen abgefilmt, was im Endergebnis so aussieht, als würde ich ruckweise im Wasser versinken.
    In meiner naiven Herzensgüte ließ ich mich darauf ein, und ein Teil davon ist auch tatsächlich im Film als Aufsager zu sehen. Doch mit der zunehmenden Kraft der Flutwellen wurde mir klar, dass hier nicht der Anfang einer Reportage gedreht werden soll, sondern das Ende eines Reporters — nichts als ein weiterer, primitiver Mordanschlag von Wolpers mit der zusätzlichen Erwartung, meinen Ertrinkungstod auch noch filmisch zu vermarkten.
    Gerade noch rechtzeitig vor den Haien konnte ich an Land waten, hatte aber leider nicht mehr die Kraft, Wolpers zu fangen und zu töten.
    Weil ein Ersatzteil fehlte, das aus Auckland eingeflogen werden musste, zog sich der Wartungstermin des Hubschraubers ein bisschen in die Länge. Kann passieren, ist nicht zu vermeiden und war auch nicht so schlimm, weil wir die nächsten Tage ohnehin auf einer anderen Insel verbringen würden. Dort galt es unter anderem, die geheimnisvolle Wirkung von Kava zu studieren, dem örtlich so populären Rauschgetränk. Bei einem solchen Thema will ich sowieso keinen Piloten dabeihaben. Der soll mit dem Flieger abheben, nicht mit dem Verstand.
    Was im Jemen das Qat, in Ostindien die Betelnuss und in München die Maß, ist in Vanuatu Kava, die gesellschaftlich akzeptierte Volksdroge. Ein trüb-braunes Gebräu aus dem Wurzelharz eines Pfefferstrauchs, das ebenso schmeckt wie es aussieht: dumpf und schlammig. Je nach seiner Stärke — und der Widerstandskraft des Trinkers — hat es eine beruhigende bis betäubende Wirkung, man wird still und nachdenklich davon, manchen verhilft es sogar zu traumhaften, oft religiösen Erscheinungen. Im Allgemeinen benutzen es die Männer, um ihren Tag entspannt zu beenden. Frauen sind auch hier wieder mal ausgeschlossen und dürfen nicht mal zusehen, vor allem nicht bei der Herstellung, denn das vernichtet angeblich die Wirkung von Kava.
    Bei mir hat das Zusehen den Spaß am Probieren vernichtet, denn die Herstellung ist wirklich eine recht eklige Prozedur. Die frisch gegrabenen Wurzeln des Pfefferstrauchs (Piper methysticum), von denen es auf den Inseln gut vierzig Unterarten gibt, werden klein geschnitten und von halbwüchsigenjungen zerkaut; der Speichel löst die Wirkstoffe und dient als Ferment. Den so entstandenen Brei spucken sie auf Blätter, das Ganze wird mit Wasser übergossen, geknetet und durch ein Netz aus Kokosbast gefiltert... und Prost. Angeblich hat auch schon Captain Cook vor 400 Jahren davon gekostet. Kein Wunder, dass er danach auf Nimmerwiedersehen abgehauen ist.
    Ralph bestand darauf, mich zu einer Kostprobe mitzunehmen, eine Ehre, die man nicht ausschlagen darf — zum Glück muss man sich wenigstens dabei nicht ausziehen. Wie es Tradition ist, setzen sich die Trinker dazu abends in einen Kreis und reichen reihum eine halbe Kokosnussschale, die als Becher dient. Es ist üblich, den Inhalt in einem einzigen Schluck auszutrinken, oder besser, zu schlürfen, denn damit signalisiert man seinen besonderen Genuss an der Sache. Meist brennt nur eine trübe Kerze, denn Kava erhöht die

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