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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Das Wunder des Glaubens

    Morgen kommt der Hubschrauber. Das hatten wir gleich bei der Ankunft in Vanuatu erfahren, und das war unerhört wichtig für uns, denn die Eröffnungsszene hing davon ab. Sie war die einzige, die wir vorgeplant hatten, im Unterschied zu allen anderen Geschichten, die sich vor Ort ganz von allein entwickeln sollten. Denn es ist sinnlos, in fremde Länder mit einem vorgefassten Drehbuch zu fahren, das würde nie funktionieren, da mindestens die Hälfte aller Pläne, Ideen und Absichten entweder gar nicht zu verwirklichen ist oder völlig anders umgesetzt werden muss, als man sich das zu Hause am Schreibtisch so ausgedacht hat.
    Um den Filmen ein einheitliches Gesicht zu geben, eine Art Markenzeichen, sollten sie alle gleich anfangen: Mit einem weiten, offenen Landschaftsbild, in dem wir rasant auf einen fernen Punkt zu fahren, der sich schließlich, nachdem der ganze Titelkram untergebracht ist, als Feuerstein entpuppt, vor der großen Karte des jeweiligen Landes. Und so was geht nur mit Hubschrauber.
    Die große Karte, wasserfest aufgezogen, hatten wir mitgebracht, ebenso einen neuen Rahmen — die Trümmer des alten liegen bekanntlich im ewigen Eis von Alaska und werden, wenn sie an irgendeinem Tag der nächsten Jahrhunderte in der Bucht von Valdez herausschmelzen, mit Sicherheit ähnliches Aufsehen erregen wie seinerzeit Ötzi in den Alpen. Morgen würde der Hubschrauber kommen, das war vertraglich vereinbart, und der ideale Landschaftspunkt für die Anfangstotale war ebenfalls schon festgelegt. Mit Absicht hatten wir diese Szene an den Beginn unserer Arbeit gestellt, denn wenn man einen gelungenen Anfang im Kasten hat, ist schon mal eine Menge Druck weg, und man kann dann gleich viel unbeschwerter auf das Kommende zugehen.
    Der Hubschrauber, der einzige auf Vanuatu, im Besitz einer Mineralölgesellschaft, kam leider nicht. Kurzfristig war er wegen eines Notfalls nach Neu-Kaledonien abberufen worden, der nächstgelegenen Inselgruppe, die zwar den Franzosen gehört, wo aber erstaunlicherweise immer noch keine Atomversuche stattfinden. Nun ja, ein Notfall geht natürlich vor, und wir hatten ja noch fast zwei Wochen vor uns. Da wir in den nächsten Tagen auf Tanna drehen wollten, verabredeten wir uns mit dem Hubschrauber für vier Tage später.
    Auf Tanna gibt es nicht nur das Dorf der Yaohnanen mit Bigman Naiva, sondern auch eine amerikanische Fliegerbasis, die aber gar keine ist, und gerade deshalb seit mehr als sechzig Jahren als Heiligtum verehrt wird. Und zwar von den Anhängern der John-Frum-Sekte. Das sollte uns mindestens einen Drehtag wert sein.
    Ich hatte schon viel über den »Cargo-Kult« dieser Gegend gehört, konnte mir aber nie was Rechtes darunter vorstellen, obwohl es sich dabei, wie ich inzwischen weiß, um die vernünftigste und einleuchtendste Religion der Welt handelt. Denn alle ihre Wunder sind echt: Die Himmelsgaben kommen wirklich von oben... von so was kann der Papst nur träumen.
    Die Wurzeln des Cargo-Kults, der nicht nur auf einigen Inseln Vanuatus praktiziert wird, sondern im ganzen südpazifischen Raum, liegen im Zweiten Weltkrieg. Damals gab es zahlreiche Stützpunkte der Amerikaner, und manche von ihnen wurden aus der Luft versorgt: Regelmäßig tauchten Cargo-Maschinen auf und warfen ihre Fracht ab, neben militärischen Gütern auch Proviant. Einiges davon landete im Busch oder im dichten Dschungel, und die Menschen, die dort lebten, waren sicher: Das kann nur ein Geschenk der Götter sein, zumal ja auch in den alten Legenden immer wieder von Riesenvögeln die Rede war, die köstliche Dinge vom Himmel warfen.
    Rasch erkannten die Inselbewohner, dass die Riesenvögel vor allem dort auftauchten, wo man vorher breite Bahnen angelegt hatte; sie sahen außerdem, dass die Gaben aus der Luft bevorzugt rund um jene Gebäude oder Fahrzeuge niederfielen, die mit einem großen roten Kreuz bemalt waren. Als dann schon nach wenigen Jahren die meisten Stützpunkte wieder aufgelassen wurden, versuchten die Einheimischen, den Zauber selber zu beschwören. Nach dem Vorbild der Landebahnen schlugen sie Schneisen in den Busch, bastelten Flugzeugmodelle aus Zweigen und legten Tücher mit großen roten Kreuzen aus in der Hoffnung, auf diese Weise den so plötzlich verschwundenen Segen von oben wieder anzulocken.
    So entstand der Cargo-Kult mit den unterschiedlichsten Glaubensgemeinschaften, deren größte die John-Frum-Bewegung ist — der Name ist angeblich die

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