Feuersteins Reisen
schon das abschreckende Beispiel der Schweiz. Bei über hundert Sprachen wie in Vanuatu musste es zwangsläufig eine überregionale Lösung geben, um zu verhindern, dass jede Briefmarke hundert Aufschriften trägt und im Parlament hundert Simultandolmetscher sitzen müssen. So kam es, dass eine Art Pidgin-Englisch, die grammatiklose Einfach-Verständigung in aller Welt, in Vanuatu zur Landessprache erhoben wurde.
Bislama, das so viel wie Seegurke oder Meeresfrucht heißt, ist wie die koloniale Vergangenheit des Landes eine Mischung aus Englisch, Französisch und ein bisschen Poly-nesisch und hat durch ihre simple Logik einen geradezu poetischen Charme. Dazu ist sie mit einem Vokabular von nicht mal 2 500 Wörtern schnell zu lernen, und mit der Aussprache ist es auch nicht so schlimm: Man spricht wie man schreibt, aber man muss sich nicht daran halten. Es gibt Gegenden, da klingt das v wie ein b oder das s wie ein sch, oder umgekehrt, wie’s eben gerade gefällt — keine andere Sprache der Welt kommt meiner undeutlichen Aussprache so sehr entgegen.
Zwar wird rasend schnell geredet, doch alles Geschriebene lässt sich mit Fantasie, Logik und etwas Englisch relativ leicht verstehen. Wir Weißen sind der waetman (Doppelvokale wie ae werden getrennt ausgesprochen und machen so das Englische white hörbar), gut heißt gud, schlecht nogud, ein bisschen lelebet (little bit) und wässriger Durchfall sitsitwota, wobei sich jeder je nach Empfindlichkeit und Art des Durchfalls entscheiden kann, ob der erste Teil doppelt langes Sitzen bedeutet oder die doppelte Menge Scheiße. Und wenn es komplizierter wird, hilft blong, denn es stellt die Zusammenhänge her: Woman blong man ist natürlich eine Ehefrau und ein glas blong loklok big ein Fernglas. Aber was ist Klavier? Laut dem Lonely-Planet-Reiseführer bedarf es dafür einer kleinen Kurzgeschichte: samting blong waetman wetem blak mo waet tut, sipos yu kilim, hem i save krae aot— »etwas, das Weißen gehört, schwarz-weiße Zähne hat, und wenn man draufhaut, schreit es auf«. Ich finde, trefflicher lässt sich ein Klavier nicht beschreiben. Höchstens vielleicht in der Inuit-Sprache, wo das Wort wahrscheinlich wie eine Sonate von Beethoven klingt, aber gut doppelt so lang ist.
Bislama, obwohl sehr jung, ist eigentlich eine Ursprache. Die Grundwörter stehen für sich allein, nur durch Reihung und Zusammenhang erhalten sie ihre bestimmte Bedeutung. So sprechen wir als Kinder — »Ich Wehweh! Du böse!« - aber auch, wenn wir in einer Fremdsprache hilflos sind und die Grammatik aufgeben: »Wo Bahnhof sein?« »Wo kriegen Ticket?« So klingt aber auch die Sprache der Macht gegenüber Unterlegenen. Robinson redet so zu Freitag — »Du mir dienen!«, und Grenzschützer zu Asylanten, auch wenn diese Hochschulprofessoren sind: »Du raus müssen!«
Gerade wegen ihrer Einfachheit erfordert Bislama viel Fantasie. Vor allem wenn man höflich sein will, denn dann muss man umschreiben und verzieren. Manche Wörter, die bei uns eben nur Wörter sind, malen regelrechte Bilder. So wird aus Schamhaar »Menschengras«, gras blong man. Und ein Franzose heißt in geradezu lyrischer Unschuld waetman wiwi, ein Weißer, der »oiu, oiu«, sagt. Schade, dass wir nicht lange genug da waren, um zu erfahren, wie man Wolpers nennen würde. Greenman blong kompost?
Es gibt keine Konjugation, Deklination oder sonstige Deformation. Machen heißt makem, wenn man gerade was gemacht hat, sagt man maken finis-, wenn von der Vergangenheit oder Zukunft die Rede ist, gibt man einfach die Zeitbestimmung dazu, — makem las wik oder makem nekis yia, letzte Woche oder nächstes Jahr, ist ja auch gleich viel deutlicher. Ebenso einfach und klar ist das Schild vor der Kneipe: Tabu blong smok insaed, Rauchen drinnen verboten. Bei einem anderen populären Schild ist die Bedeutung nicht ganz so klar; aber wenn man erfährt, dass bot für »boot« steht, für Schuhzeug insgesamt, und sat für »shirt«, das Hemd, dann versteht man sie sofort: Nogat bot, no gat sat, no gat sevis! Wer keine Schuhe oder kein Hemd anhat, wird nicht bedient. Finis.
Zuletzt noch zwei wichtige Hinweise für Sextouristen. Erstens: Puspus heißt Sex allgemein, hambag außerehelicher Sex und plei Spiel, sowohl im Bett als auch auf dem Fußballfeld — also aufpassen, dass es kein Durcheinander gibt. Und das Wort für Kondom lautet in Bislama rubba blong fak-fak.
Zweiter Hinweis: Fahren Sie erst gar nicht nach Vanuatu. Da werden Sie niemanden
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