Feuersteins Reisen
Lichtempfindlichkeit. Das Gespräch verdünnt, allmählich verfällt man in Schweigen und grübelt über den Sinn des Lebens.
Ich habe natürlich höflich genippt — man will ja kein Wolpers sein —, aber die übliche halbe Kokosschale voll hätte ich niemals geschafft. Drogen sind sowieso nicht mein Ding; da mein Hirn schon im Normalzustand ständig rumort, habe ich viel zu große Angst vor einer inneren Explosion, einer neuronischen Supernova. Obwohl ich sonst neugierig bis zur Selbstverstümmelung bin, habe ich deshalb auch nie mit LSD, Hasch oder sonst einem Zeug experimentiert. Um in Schweigen zu verfallen und über den Sinn des Lebens zu grübeln, brauche ich kein Kava; dazu reicht mir der Steuerbescheid. Aber in Vanuatu gibt es keine Einkommenssteuer. Also braucht man dort Kava.
Nach unserer Rückkehr war der Hubschrauber schon wieder weg. Das Ersatzteil war noch am gleichen Tag gekommen, hieß es, aber wir wären ja leider nicht da gewesen, und man könne schließlich nicht ewig auf uns warten. Das leuchtet ein, denn Zeit ist bei Hubschraubern besonders viel Geld, zwischen 500 und 2000 Dollar die Flugstunde, je nach Land und Gerät. Aber wir sollten uns keine Sorgen machen, tröstete man uns, spätestens in zwei oder drei Tagen wäre der Hubschrauber garantiert wieder in Port Vila.
Wir machten uns Sorgen, denn inzwischen war schon mehr als die halbe Drehzeit vorbei. Als Ersatzlösung könnten wir es ja mit einem Flugzeug versuchen, überlegten wir; da kann man die rechte Tür ausbauen und die Kamera fixieren. Durch die hohe Fluggeschwindigkeit und die mangelnde Möglichkeit, an Ort und Stelle zu manövrieren, ist man natürlich sehr eingeschränkt, aber wozu haben wir den besten, Kameramann der Welt, hm?
Also wandten wir uns an den Fliegerclub von Port Vila. Ich war sicher, dort würde es von Kleinflugzeugen nur so wimmeln angesichts der vielen Inseln, die alle mindestens eine Landebahn hatten, und des traumhaften Flugwetters, mit dem man hier fast immer rechnen konnte. Aber das war ein Irrtum. Der Fliegerclub hatte nur zwei Maschinen: eine kleine und eine noch kleinere. Aber dafür hatte der Fliegerclub Franz.
Franz war Österreicher und gehörte zu der kleinen, aber umtriebigen deutschsprachigen Gemeinde von Port Vila, zusammengesetzt aus den üblichen Standardtypen, wie man sie in den alten Filmen mit Edward G. Robinson, Humphrey Bogart und Hedy Lamarr besetzt hatte: gescheiterte Existenzen mit zwielichtiger Vergangenheit, Aussteiger mit unerfüllbaren Träumen, Abenteurer mit Fernweh sowie Steuerflüchtlinge, deren Schwarzgeld als Eintrittspreis für den Fürsten von Monaco nicht reichte, auf einer armen Südseeinsel jedoch zum Riesenvermögen anschwoll. Sogar die lebensfrohe Tramperin, die als »Stewardess« auf Privatjachten etappenweise um die Welt schippert, fehlte nicht.
Wir charterten beide Maschinen, und die Idee war, ein paar spektakuläre Luftbilder über einem aktiven Vulkan zu bekommen und danach die Anfangsszene zu drehen, mit einem ebenso spektakulären, flachen Anflug über das Meer auf den Strand zu. Stephan flog mit Franz, ich mit einem muffigen Schweiger, der Franz erkennbar hasste und ihn wahrscheinlich abgeschossen hätte, hätten wir eine Bordkanone gehabt. Ich übrigens später auch.
Schon beim Türen-Ausbau stellte sich heraus, dass Franz sämtliche genetischen Defekte aufwies, mit denen wir Österreicher geboren werden und gegen die wir ein Leben lang vergeblich kämpfen... da hilft auch kein Wechsel der Staatsbürgerschaft. Defekt Nr. i: Er war vorschriftensüchtig und hielt sich sogar an solche, wenn es gar keine gab. Das war sogar in gewisser Weise berechtigt, denn es ist eine beliebte Waffe der Dritten Welt, Ausländer im Ungewissen zu lassen, ob das auch rechtens ist, was sie gerade tun; so kann man sie jederzeit aus dem Land jagen — eine schlimme Gefahr vor allem für Steuerflüchtlinge, die deshalb in ihren Fluchtburgen zu absoluten Musterbürgern werden.
Franz war zwar kein Steuerflüchtling, hatte aber tierische Angst um seine Fluglehrer-Lizenz. Er moserte daher am Türenausbau rum, an der Kamera-Befestigung und — zu Recht — an Wolpers, konnte sich aber nicht durchsetzen, da er auch an Gendefekt Nr. 2 litt: Feigheit. Also blieb ihm nur Österreich-Gen Nr. 3, das Jammern. »Do verlier i mei Lizenz! Do tu i Ärger krieg’n! Oijoijoi! Des wird böse enden!«
Auf kleinen Landepisten, die keinen Tower haben, ist es üblich, »Blindmeldungen« abzusetzen, also
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