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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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beluden, tauchte ein Unbekannter auf, ein bärtiger Omani im Dishdasha und der bestickten Kumma-Mütze, die man hier statt des Kopftuchs trägt. Er stellte sich als Mr. Babu vor und sagte, er wäre unser Fremdenführer. Das war höchst erstaunlich, weil wir ja schon einen Reiseleiter hatten: den robusten, immer jovialen Ole aus Norwegen. Nick war nur für die Emirate zuständig gewesen. Ole sprach arabisch und kannte jeden Winkel von Oman.
    Aber Mr. Babu ließ sich nicht abschütteln. Er wäre beauftragt, sagte er. Von Mr. Ashworth.
    Ich lief ins Hotel zurück und rief im Ministerium an — gratis übrigens, für Ortsgespräche zahlt man in Oman keinen Baiza. Wieso er uns einen Bewacher geschickt hätte, fragte ich ihn, das fänden wir überhaupt nicht gut.
    Wahrscheinlich hatte ich mich nicht sehr geschickt ausgedrückt, jedenfalls reagierte der vorher so herzliche Mr. Ashworth ziemlich ungehalten. »Von wegen Bewacher... lächerlich! Das ist ein harmloser kleiner Fremdenführer. Ich wollte Ihnen nur einen Gefallen tun! Ich wollte Ihnen helfen!« Und dann begann er regelrecht zu brüllen: »Sagen Sie ihm, er soll wieder nach Hause gehen! Schicken Sie ihn weg! Sie werden schon sehen, wie Sie dann weiterkommen!«
    Also ging ich wieder runter und bat Mr. Babu in höflichen Worten — einzusteigen. Ich hatte weder die Zeit noch die Lust rauszufinden, wie wir ohne ihn weiterkommen würden. Außerdem lasse ich mich leicht einschüchtern. Und deshalb war Mr. Babu von nun an bei jedem unserer Schritte dabei. Bis zur Abreise.
    Wir brauchten es nicht zu bereuen. Denn er erwies sich als ein recht nützlicher Fremdenführer. Hilfsbereit, höflich und pflegeleicht. Er blieb nie zum Abendessen und übernachtete auch nie in unseren Hotels, sondern war die Nacht über immer verschwunden — samt Fahrer und Auto, so dass wir jeden Morgen mehr oder weniger hilflos auf ihn warten mussten. Und es stellte sich schnell raus, dass er wesentlich mehr war als Mr. Ashworths »harmloser, kleiner Fremdenführer«. Von ihm ging eine unsichtbare, fast unheimliche Macht aus: Unbekannte, die er ansprach, erfüllten sofort seine Wünsche, Polizisten nahmen Haltung ah, nie wurde ihm etwas verweigert. Und da er sich offenbar rasch überzeugt hatte, dass wir das Sultanat weder abschaffen noch lächerlich machen, sondern wirklich nur Land und Leute kennen lernen wollten, ebnete er auf wunderbare Weise alle unsere Wege.
    Wer war er bloß? Ein Ministerialbeamter? Ein Geheimdienstoffizier? Der omanische Boss von Mr. Ashworth? Oder etwa gar der Sultan selbst, der sich wie einst Harun al-Raschid gelegentlich unbekannt unters Volk mischt?
    Nur in einem Punkt war Mr. Babu hartnäckig, ja, geradezu lästig: bei der Frage, wer vor die Kamera kommt.
    Ich hatte schon eingangs auf die »Omanisierung« hingewiesen, auf die Regierungskampagne »Oman den Omanern«, die aber offenbar gar nicht so leicht durchzusetzen ist. Durch den derzeit noch herrschenden Reichtum verwöhnt, sehen die Einheimischen überhaupt nicht ein, warum sie plötzlich selber den Boden bestellen oder sich als Industriearbeiter verdingen sollen, wo es doch immer noch so viele billige und willige Gastarbeiter gibt. Aber der Sultan will es nun mal so, und Mr. Babu sorgte für die Umsetzung. Oder jedenfalls dafür, dass es so aussieht.
    Also lief er ständig vor uns her und scheuchte Fremdarbeiter aus dem Bild. Nur echte Omanis sollten vor die Kamera. Dabei kam es zu völlig absurden Szenen wie zum Beispiel auf den Äckern, wo sich Dutzende von indischen Landarbeitern hinter Büschen verstecken mussten, während Mr. Babu die würdigen alten Gutsherren zwang, persönlich den Pflug zu führen und hinter dem Ochsen herzuschreiten — Bilder biblischer Kraft, aber trügerischer Botschaft.
    Nur ein einziges Mal konnten wir ihn austricksen, im berühmten Basar von Mutrah, als ich vor der Kamera die Kunst des Feilschens demonstrieren wollte — auch hier ausschließlich Ausländer in den Läden. Mr. Babu machte sich auf den Weg, um einen Omani zu suchen, und suchte fast eine Stunde vergebens. In der Zwischenzeit hatten wir die Szene mit einem indischen Stoffhändler gedreht. Der war dann auch der einzige Nicht-Araber im Oman-Teil unseres Films.
    So weit also meine Erklärung für den ersten Satz dieses Kapitels über den »Araber-Überschuss«. Ich weiß, sie ist etwas umständlich geraten, aber dafür habe ich mich schon im Voraus entschuldigt. Im Übrigen sollten Sie froh sein, dass ich nicht versucht

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