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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Königliche Militärakademie in Sandhurst, als deren Kadett er sogar sechs Monate lang in Deutschland stationiert war, in der britischen Rheinarmee. Danach studierte er Staatswissenschaft. Als er 1966 zurückkam, war er ein perfekter Gentleman.
    Das gefiel dem Vater überhaupt nicht. Als Gegenmaßnahme verbot er ihm als Erstes die europäischen Anzüge. Dann steckte er ihn jahrelang in eine strenge, islamische Universität. Und zuletzt nahm er ihm seine Schallplattensammlung weg. Das aber war zu viel. Als Antwort gab es einen Staatsstreich: Qabus entmachtete seinen Vater.
    Ich weiß, das mit den Schallplatten klingt wie eine meiner üblichen Übertreibungen. Aber es stimmt. Es ist eine historisch gesicherte Anekdote, die unser Rechercheur Wolfgang Dürr in der Vorbereitung unserer Reise ausgegraben hat. Außerdem ist hinlänglich bekannt, dass Sultan Qabus nicht nur Bach und Beethoven schätzt — er hat ein eigenes Sinfonieorchester ins Leben gerufen, das einzige in Arabien, so weit ich weiß —, sondern dazu auch fröhliche Operetten. Ich kann sogar persönlich für seine Musikliebe bürgen, denn ich kenne eine Musiklehrerin, die Vorjahren in der Schweiz der Gattin des Sultans Klavierunterricht erteilt hatte. Noch heute gerät sie in Entzücken über diesen »edlen, wunderschönen Mann«, wie er im Türrahmen stand und sich alle paar Minuten nach den pianistischen Fortschritten seiner Frau erkundigte. Leider habe ich das erst nach unserer Reise erfahren, sonst hätte ich vielleicht auf dem Umweg über das »Weiße Rössl« Zugang zum Palast gefunden — ich habe darin mal den »Kaiser« gespielt. Vielleicht wäre er an einem Treffen unter Monarchen interessiert gewesen? Wobei ich freilich meine Macht sofort benutzt hätte, das Sinfonieorchester von Oman wieder abzuschaffen. Denn es klingt grausam — ich hatte mal im Hotel eine Fernsehübertragung mitgekriegt.
    Na schön, bei seinem Putsch werden sicher auch andere Gründe mitgespielt haben als allein die Wut über die konfiszierten Scheiben. Jedenfalls übernahm Qabus im Juli 1970 durch einen unblutigen Staatsstreich die Macht. In der offiziellen Lesart heißt es, der alte Herr hätte abgedankt, die historische Wahrheit lautet: Der sture Despot musste ins Exil - ausgerechnet nach England. Seine 150 Haremsfrauen ließ er zu Hause.
    Normalerweise verwandeln sich edle Revolutionäre sehr schnell in raffgierige Bösewichter — halb Afrika ist ein trauriges Zeugnis dafür. Aber in Oman vollzog sich ein kleines Wunder: Der progressive Dreißigjährige verwandelte sein Land in einen Musterstaat und ist heute auch als Sechzigjähriger immer noch der weitaus fortschrittlichste Landesherr der arabischen Halbinsel. Man kommt tatsächlich aus dem Staunen nicht heraus, was in drei Jahrzehnten hier alles passierte: Aus 8 Kilometern Asphaltstraße wurden 5000, aus 3 Schulen wurden 900 und aus o Krankenhäusern 50. Noch immer ist der Sultan Herr über allen Grund und Boden, aber wenn ein Omani will, dann kriegt er kostenlos was davon ab. Einzige Voraussetzung ist, dass er deutlich seine Nutzungsabsicht zeigt. Und so sieht man auf Überlandfahrten immer wieder eingezäunte Flächen, auf denen nichts als ein Türrahmen steht. So einfach wird man hier Grundbesitzer.
    Da fragt man sich natürlich: Muss es bei so viel Edelsinn und Bürgerwohl nicht irgendwo einen Haken geben?
    Den gibt es auch: den seltsamen Schönheitssinn des Sultans. Wahrscheinlich war er irgendwann mal in Disneyworld und entdeckte dort die Niedlichkeit.
    Trotz ihrer Kargheit ist die Landschaft Omans von überwältigender Schönheit: die Geröllhalden der Berge, die Schluchten der Wadis, die Steilküste mit ihren Fjorden, der dramatische Übergang, wo sich die Wüste in die Ausläufer der Berge frisst.
    Dem Sultan war das zu wenig. Und so erfand er die »beautification«, das Verschönerungsprogramm für die Natur: Unzählige Plastikblumen und Spritzgussfiguren lauern überall am Straßenrand, man hat sie unausweichlich im Blickfeld. Wer wegschaut, riskiert, von der Straße zu fliegen. Da eine Palme, dort eine Amphore, drüben auf der Anhöhe ein künstlicher Wachturm, immer in den schönsten Zuckerfarben. Und überall diese verdammten Oryxe.
    Die weiße Oryx (Oryx gazelle leucoryx) war einst die klassische Antilopenart dieser Gegend, bekannt schon aus Tausendundeiner Nacht. Da aber für die Araber alles, was auf Tierköpfen wächst, als Potenzmittel gilt, wurden sie gnadenlos gejagt — die letzten sechs dieser

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