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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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habe, Ihnen die Relativitätstheorie zu erklären.

Schöner herrschen

    Was sind wir Demokraten doch für ein kleinlicher Haufen. Da jagen wir gute Leute aus dem Amt, weil sie eine lächerliche Spendenquittung nicht finden können oder mal im Privatflugzeug von Freunden getrampt sind — und hier gibt es einen Sultan, dem alles gehört. Und mit »alles« meine ich alles: Geld, Besitz, Macht, einfach wirklich ALLES.
    Sultan Qabus bin Said al Said ist einer der letzten absoluten Monarchen dieser Welt. Er erlässt die Gesetze und hebt sie wieder auf, er ernennt die Minister und setzt sie wieder ab, und er ist natürlich der oberste Feldherr. Es gibt zwar die Ash’Shura, eine gewählte Volksvertretung, aber die hat nur beratende Funktion — hauptsächlich berät sie wahrscheinlich darüber, womit man dem Sultan Freude machen könnte. Politische Parteien oder gar Gewerkschaften gibt es nicht.
    Das klingt nicht gerade progressiv, ist es im Ergebnis aber erstaunlicherweise doch. Denn ein solches System hat den Vorteil, Reformen und Verbesserungen in rasantem Tempo vorantreiben zu können, ohne sich lange mit Gegnern, Gerichten und Bürgerinitiativen abquälen zu müssen. Voraussetzung dafür ist allerdings ein progressiver, uneigennütziger Monarch — und Sultan Qabus scheint tatsächlich zu dieser seltenen Spezies zu gehören. Das wird einem nicht nur durch die hochaktive PR-Maschinerie des Landes eingehämmert, das sagen auch alle Beobachter und Diplomaten. Verglichen etwa mit Saudi-Arabien sei Oman der Inbegriff von Fortschritt und Liberalität. Trotz Mr. Ashworth.
    Das war weiß Gott nicht immer so. Nicht einmal ein halbes Jahrhundert ist es her, da zählte Oman trotz seiner großen Vergangenheit als Beherrscher der afrikanischen Ostküste zu den rückständigsten Ländern der Welt. Sultan Said bin Taimur, Vater und Vorgänger des heutigen Herrschers, verfügte über sämtliche Eigenschaften, die ein progressiver Monarch auf keinen Fall haben darf: Er war intolerant, habgierig und bildungsfeindlich, und hatte außerdem Angst vor seinen Untertanen. Er lebte eingemauert in seiner Festung in Salalah, im tiefsten Süden des Landes, schon fast an der jemenitischen Grenze, und obwohl er 150 Haremsfrauen besaß, fand er immer noch die Zeit, von seinem Turm aus per Fernglas die Untertanen zu beobachten. Wenn er was Verbotenes sah, schickte er sofort seine Häscher aus — und verboten war so ziemlich alles: Rauchen, Fahrrad fahren, Radio hören sowie das Tragen von Brillen und Hosen. Auf Stephans Hose stand bestimmt die Todesstrafe.
    Oman war damals von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen. Die Einfuhr von Zeitungen oder Büchern war untersagt, denn Said war auch ein religiöser Eiferer, und wer in sein Land wollte, musste den Sultan persönlich um Erlaubnis fragen — niemand außer ihm durfte ein Visum ausstellen. Da er ständig Verschwörungen und Anschläge vermutete, ließ er fast das gesamte Kriegsgerät des Landes im Palast einlagern; den Inhalt der Staatskasse hatte er in bar in seinem Schlafzimmer versteckt. Ob Helmut Kohl bei ihm abgeguckt hat?
    Nun geht es auch einem absoluten Monarchen nicht viel anders als dem Vater in einem kinderreichen Haushalt: Nur dort, wo er sich durchsetzen kann, ist er allmächtig. In einem so riesigen, unzugänglichen, wilden Bergland wie Oman kann der Widerstand gar nicht ausbleiben. Vor allem von den stolzen Bergstämmen, die sich seit jeher weigerten, irgendeine fremde Autorität anzuerkennen — im benachbarten Jemen ist es heute noch so. Nur der aus den eigenen Reihen gewählte Religionsführer, der Imam, hat bei ihnen das Sagen.
    Einer davon war damals ganz besonders störrisch — und mächtig wie kein anderer: Imam Ghalib. Mit diskreter Unterstützung durch Saudi-Arabien zettelte er immer wieder Unruhen an. Mitte der fünfziger Jahre kam es dann zum richtigen Krieg.
    Zum Glück für den Sultan fand man genau um diese Zeit das erste Erdöl in Oman. Sofort erinnerten sich die Briten, dass sie immer schon die echten und einzigen Freunde des Landes gewesen waren, und halfen Said bin Taimur mit Truppen und Geld, den aufmüpfigen Imam zu besiegen. Dabei war man nicht gerade zimperlich: Tanuf, das letzte Zentrum des Widerstands, wurde 1959 durch einen Luftstreich der Engländer dem Erdboden gleichgemacht.
    Während sich Vater Said mit seinem aufmüpfigen Volk prügelte, lernte Sohn Qabus in einer edlen englischen Privatschule die feinen Manieren und besuchte anschließend die

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