Feuersteins Reisen
Wahrheit: »Achtung, da kommt ein Profi-Blödler, harmlos, aber unberechenbar.« Da wollte man sich natürlich eine persönliche Meinung bilden.
In einem absolutistisch regierten Staat wie Oman erwartet man als Informationsministerium eine Art Orwell’sche Manipulationsbehörde, eine Gedankenfabrik, in der Robotermenschen in weißen Schutzanzügen aus Riesenbottichen synthetisch erzeugte Informationen schöpfen und den Bürgern ins Ohr träufeln. Stattdessen wurden wir in einen Palast unterer Rangordnung geleitet, ein eher bescheidener Bau, gemessen an der sonst gezeigten Herrscherpracht Omans. Eine laxe Sicherheitskontrolle, ein langer Flur mit dunklen Zimmern, ein paar schläfrige Angestellte — und dann ein Typ direkt aus einem englischen Spionagefilm: Mr. Ashworth.
Wer wie ich Feuerstein heißt und deshalb ständig dumme Sprüche über den Namen zu hören kriegt, macht selber keine solchen über andere. Das hindert mich aber nicht, ins Schwärmen zu geraten, wenn ein Name ganz besonders zu seinem Inhaber passt und ihn beschreibt, bevor man ihn noch kennt; Ralph Regenvanu hatte ich im Kapitel zuvor als Beispiel dafür genannt; auch Boutros Boutros Gali, der ehemalige UNO-Generalsekretär, fällt mir dazu ein, ein Diplomat, den sein Amt stets zur selben Aussage zwingt — eigentlich müsste er Boutros Boutros Boutros heißen; oder der Wiener Politiker Schüssel, der für mich direkt aus dem Sommernachtstraum , stammt, ein österreichischer Zettel, die perfekte Besetzung im Rüpelspiel. Oder Fritz Pleitgen, der WDR-Intendant, der in seinem Namen die Wirtschaftslage seines Unternehmens so ehrlich-stolz präsentiert.
Als ich von unserer Audienz bei einem »Mr. Ashworth« hörte, entstand in mir sofort ein Fantasiebild, wer er sein müsse: ein ehemaliges Mitglied vom MI5, der geheimsten Abteilung des britischen Geheimdienstes, so geheim, dass dort selber niemand weiß, was er tut, weshalb es auch immer wieder zu Skandalen kommt. Nach einem solchen Skandal wurde er nach Diego Garcia versetzt, dem bekannten Lauschposten Ihrer Majestät zwischen Asien und Afrika. Von dort steuerte er kleinere Operationen in Oman, wo die Briten in den siebziger Jahren dem Vater des heute regierenden Sultans bei den Stammeskriegen halfen und später den Sultan selber an die Macht hievten. Aus Dankbarkeit dafür wurde ihm von diesem nach seiner Pensionierung der Job im Informationsministerium angeboten, als Oberster Filter für ausländische Journalisten, zusammen mit einer Speziallizenz zur Einfuhr schottischen Whiskys auch während des Ramadan. Da er wegen eines weiteren Skandals — er hatte sowohl Graham Greene als auch Eric Ambler die Exklusivrechte für seine Biografie verkauft — England ohnehin verlassen musste, nahm Ashworth den Auftrag an und übersiedelte nach Muscat, wo er seither mit dem Bassethund Manchester und seinem Butier Smiley in einer Stadtrandvilla mit Meerblick wohnt.
Schon möglich, dass ich Mr. Ashworth unrecht tue. Vielleicht war er in Wirklichkeit vorher nur Briefträger oder Totengräber... aber bei diesem Namen stellt sich seine Biografie für mich nun mal zwingend so dar. Zumal er auch äußerlich die Erwartung erfüllte: eine Mischung von Charles Laugthon und Orson Welles, mit der etwas zu lauten Herzlichkeit von professionellen Ausspähern. Ich spürte sofort, dass sich hinter scheinbar so harmlosen Floskeln wie »Wie geht’s?« und »Was halten Sie von der Hitze hier?« die Fangfragen eines routinierten Verhörspezialisten verbargen. Da ich gut vorbereitet war, ließ ich mich nicht in die Falle locken und antwortete auf die erste Frage geschickt: »Gut!« Und auf die zweite geradezu genial: »Viel.« Sie sehen, so leicht lasse ich mich nicht knacken.
Ich hielt meine übliche »Wir-sind-gekommen-um-zu-lernen«-Rede, und Mr. Ashworth gähnte. Aber ich wusste, das war Tarnung. Bestimmt nahm er sie heimlich auf Tonband auf, um sie hinterher in aller Ruhe auf verschlüsselte Botschaften zu überprüfen. Denn sicher hatte er längst gemerkt, dass ihm in mir ein mindestens gleichwertiger Profi gegenübersaß.
Ich machte mich auf ein langes, erbarmungsloses Kräftemessen gefasst. Aber siehe da: Schon nach wenigen Sätzen verabschiedete er uns. Gegen Route und Drehplan hatte er keinerlei Einwände. Er behielt nicht mal Wolpers als Geisel, obwohl ich fest damit gerechnet hatte... schade. Und dann wünschte er uns gute Reise. Morgen früh könnten wir loslegen.
Als wir am nächsten Morgen unseren Kleinbus
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