Feuersturm: Roman (German Edition)
marschierten auf den Flaschenhals zu. Anya hob Bernies Schwert auf, das neben einem Molch gelegen hatte, der gerade verblasste wie eine Rauchfahne im Wind. Charons Kette peitschte durch das Getümmel, und Sparky stürzte sich ins Gefecht. Anya blieb hinter ihnen und schlug mit dem Schwert nach Angreifern, die sich durch den Zwischenraum zwischen den beiden schlängelten.
Weiter vorn sah sie Pluto wüten. Gallus klammerte sich im Sattel fest. Das Geisterpferd rollte mit den Augen und hatte Schaum vorm Maul. Das Ende von Charons Kette wickelte sich um den Pferdehals, und der Fährmann zog mit aller Kraft.
Das Pferd kämpfte, schwankte im Getümmel der Geister und krachte mit einem bestialischen Aufschrei zu Boden.
Gallus hackte sich den Weg aus dem Durcheinander aus verdrehten Geisterkörperteilen und Zaumzeug frei und heulte: »Du hast mein Pferd getötet!« Tränen glitzerten in den Augen unter dem Helm. Er hob sein Schwert, um Charon zu köpfen, dessen Hände immer noch von der Kette umwickelt waren.
Anya stieß Bernies Schwert zwischen die beiden Kämpfer und wehrte Gallus’ Hieb unbeholfen ab.
Molche klammerten sich an Gallus’ Hals und nagten an seinen Schultern, doch er schrie nur: »Das war mein Pferd! Pluto war zweitausend Jahre lang mein Pferd …«
Tiefes Mitgefühl wallte in Anya auf, und sie streckte die Hand aus, um Gallus’ tränennasse Wange zu berühren.
Dann atmete sie ihn ein, mit demselben Atemzug, mit dem sie das verwundete, verdrehte Pferd einatmete. Sie bemühte sich, sanft zu sein, und sie fühlte, wie die beiden sich in ihrer Lunge vermischten, rauchig, moschusartig, für alle Zeiten aneinander gebunden …
Sie lächelte traurig. Der kalte Odem der Geister erfasste ihren Hals, lähmte ihre Lunge. Sie konnte nicht mehr einatmen. Konnte nicht ausatmen. Sie fühlte sich, als würde sie ertrinken, konnte nichts hören außer dem Echo des Blutes, das in ihrem Helm pulsierte. Dann spürte sie den Schmerz der Geisterverbrennung, der ihre Brust hinauf und durch ihre Kehle kroch und ihr die Stimme verschlug.
Charon hielt sie an den Armen und brüllte sie an. Er schüttelte sie so heftig, dass sich der Helm rasselnd löste und von ihrem Kopf fiel.
Aber das Donnern des Blutes war lauter. Sie fühlte das Gift der Brandwunde, das sich über ihr Gesicht ausbreitete, ihre Sinne betäubte und sich wie ein schwarzer Film über ihr Blickfeld legte.
Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie über Charons Schulter fiel, während Sparky sich an ihre Beine klammerte.
KAPITEL ZWANZIG
Das Übelkeit erregende Gefühl der Schwerelosigkeit wusch über sie hinweg, ein Gefühl, als hätte der Geisterzug sie erneut erfasst.
In der vertrauten Umgebung des Devil’s Bathtub öffnete Anya die Augen und seufzte erleichtert auf. Die alten Zinndeckenplatten, der vernarbte Holzboden, die Flaschen, die farbenfroh wie Juwelen hinter der Bar thronten, sogar die Staubschicht auf den Buntglaslampen über dem Tresen – alles war ihr wohlbekannt. Sie war zu Hause.
Aber dann begriff sie, dass die Perspektive ganz und gar nicht stimmte.
Sie schwebte unter der Decke. Die geprägten Zinnplatten waren nahe genug, sie zu berühren. Unter sich konnte sie ihr physisches Ich reglos in der Badewanne sehen, die ein fester Bestandteil des Inventars war und sich derzeit im Zentrum hektischer Betriebsamkeit befand.
Ihr Körper war in die mit Münzen gefüllte Wanne gesunken. Brian stand breitbeinig über ihr und presste immer wieder die verschränkten Hände auf ihre Brust. Bei jedem Stoß rasselte Kleingeld aus der Wanne auf den Boden. Ein Feuerlöscher rollte über die Dielen. Fetzen chemischen Schaums besudelten Boden und Münzen. Sie nahm Brandgeruch wahr und fragte sich, woher er kommen mochte.
»Du bist wieder da.« Renee schwebte plötzlich neben Anya.
Anya nagte an ihrer Lippe. »Das verstehe ich nicht. Warum bin ich nicht da unten bei den anderen?«
Renee berührte sacht Anyas Wange. »Schätzchen, du entgleitest ihnen.«
Jules brüllte am Telefon den Menschen in der Notrufzentrale an, und Katie rannte zur Tür hinaus, um den Sanitätern zu zeigen, wo sie hin mussten. Max stand hinter Ciros Rollstuhl, und der alte Mann presste beide Hände an seine Brust. Tränen rannen über seine Wangen.
»… fünf, sechs, sieben, acht …« zählte Brian mit, während er die Herzdruckmassage weiterführte.
»… fünf Minuten«, sagte Jules. »Sie atmet seit fünf Minuten nicht mehr … woher zum Teufel soll ich das
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