Feuersturm: Roman (German Edition)
denen so manch zart besaitetes Gemüt die Flucht ergriffen hätte. Außerdem galten sie als absolut verschwiegen.
Das waren nur zwei der Gründe, warum Anya dann und wann Katie wegen eines magischen Auftrags aufsuchte.
Und dann gab es da noch Katies Backkunst.
Anya saß an Katies Küchentisch und pflückte einen heißen Haferkeks mit Schokostückchen von einem Backblech. Sie jonglierte den Keks, versuchte zu verhindern, dass er ihr die Finger versengte, während sie ihn in den Mund stopfte.
Katie sauste derweil barfuß und in einem langen Faltenrock durch die Küche. Außerdem trug sie eine gepunktete Schürze aus einem Vintage-Shop, die schmerzlich mit ihren karierten Topflappen kontrastierte. Sie sah aus wie Betty Crockers verrückte kleine Schwester. Die Küchenhexe aus Filz, die über dem Fenster hing, klimperte im Luftzug und schien über derlei bizarren Modegeschmack zu lachen.
»Davon könnte ich mich ernähren«, murmelte Anya in einem Anfall schnulzig-klebriger Glückseligkeit.
»Ich teile gern.« Katie beugte sich über die Spüle und leckte Teigreste von ihrem Rührbesen. Hexen hatten keine gesundheitlichen Bedenken wegen roher Eier.
Katies Katzen, Vern und Fay, jagten sich durch die Küche und sausten zwischen den Füßen der Barhocker hindurch. Vern, ein grauer Tigerkater, verhakte sich an einem Bein des Küchentischs und wirbelte auf dem frisch gewachsten Linoleum herum. Er prallte gegen Katies Bein, worauf Teig auf ihre Schürze spritzte. In diesem Moment kam Sparky in die Küche gestürzt, den Schwanz vergnügt aufgestellt. Er verfolgte Vern auf den Flur. Gleich darauf erklang ein leises Kreischen aus dem hinteren Bereich des Hauses.
Katie schüttelte den Kopf und tupfte den Teig von der Brust. »Ich wünschte wirklich, ich könnte Sparky mit den beiden spielen sehen.«
Anya breitete hilflos die Hände aus. Katzen konnten ihn sehen. Ebenso wie Hunde und andere Geister. Und Anya. Die einzige andere Person, von der Anya je erlebt hatte, dass sie Sparky wahrnehmen konnte, war die andere Laterne gewesen, der sie vor einigen Monaten begegnet war. Bei der Erinnerung verdüsterte sich ihre Stimmung: Drake war ihr Feind und ihr Liebhaber gewesen. Vermutlich war er der einzige Mensch gewesen, der sie wirklich hatte verstehen können. Und jetzt war er tot. Bei diesem Gedanken empfand sie nur einen kleinen Anflug von Trauer; es hatte so kommen müssen, dennoch wünschte sie, ihr wäre mehr Zeit mit ihm beschieden gewesen und sie hätte Gelegenheit bekommen, ihn zu fragen, welchem Zweck Leute wie sie auf Erden dienten.
»Du hast mich um einen Gefallen gebeten.« Katie legte die Topfhandschuhe ab. Ihre Finger glitzerten unter all den silbernen Ringen.
»Ich muss mit Bernie sprechen«, sagte Anya ohne Umschweife, stützte das Kinn auf die Hände und starrte Anya über den Tisch hinweg direkt an.
Katie zog die Brauen hoch, und ein neckisches Lächeln umspielte ihren Kussmund. »Du hast nicht Ciro gefragt. Oder Jules.«
»Das geht die DAGR auch nichts an. Und keiner von denen ist mein Vater.« Als sie die Worte aussprach, hörte sie sich bockig an, aber es war die reine Wahrheit. Ciro hatte mehr Fakten über Metaphysik vergessen, als Aleister Crowley je gekannt hatte, war aber höchst sparsam und zurückhaltend in ihrer Anwendung. Er hätte Anya nie verraten, wie sie Kontakt zu Bernie aufnehmen konnte. Und Jules … Anya war überzeugt, der Gedanke, mit Toten zu sprechen, hätte gegen Jules ethische Vorstellungen verstoßen. Wozu also sollte sie ihn provozieren?
Katie zuckte mit den Schultern. »Tja … wir können versuchen, ihn zu rufen.«
»Wie?«
»Wir könnten eine Séance abhalten. Aber dafür brauchen wir wenigstens vier Leute.«
Anya verzog das Gesicht. Brian war vermutlich für so etwas zu gewinnen, aber Max würde Jules gegenüber plaudern.
»Wir könnten auch in den Spielwarenladen gehen und uns ein Ouija-Brett besorgen, aber das würde ich nicht empfehlen.«
»Warum nicht?« Anya war ernsthaft neugierig. Die DAGR hatten schon einige Fälle erlebt, in denen ein Ouija-Brett einem Geist oder Dämon Zutritt zu einem Haus verschafft hatte, aber sie wusste nicht, was diese Methode besser oder schlechter machte als irgendeine andere.
Katie nahm sich einen Keks. »Ein Seelenschreiber ist nicht aus sich heraus gut oder schlecht. Er ist nur ein Werkzeug. Aber moderne Seelenschreiber sind inzwischen zu sehr mit der Vorstellung von einem Spiel verknüpft. Niemand nimmt sie ernst, weshalb kaum
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