Feuersturm: Roman (German Edition)
und schnüffelte knurrend an den Scherben.
Katie sah Anya über den Tisch hinweg in die Augen. »Hope. Sagt dir das etwas?«
Anya setzte ein grimmiges Lächeln auf. »Es liefert mir jedenfalls einen Hinweis darauf, wo ich zuerst nachsehen sollte.«
KAPITEL FÜNF
Im Lokalteil der Morgenzeitung verkündeten dicke Lettern gleich auf der ersten Seite: DFD UNTERSUCHT ANGEBLICHEN FALL VON SPONTANER MENSCHLICHER SELBSTENTZÜNDUNG. Der Artikel befasste sich unter Bezug auf eine unbekannte Quelle mit den grausigen Einzelheiten des Tatorts im Fall Jasper Bernard und warf die Frage auf, wie »hilflos« das DFD diesem Fall gegenüberstehen mochte. Erwähnt wurde auch, dass mit dem Tatort »nicht sachgemäß verfahren« worden und es zu einem Einbruch gekommen sei, womit alle Beweise in diesem Fall fragwürdig geworden seien.
Anya verdrehte die Augen. Mit Sicherheit würde der Herausgeber nun so manchen Leserbrief erhalten, in dem die Inkompetenz des DFD lang und breit dargelegt werden würde. Auf der Suche nach dem nächsten Teil des Artikels blätterte sie um, hielt aber zunächst bei einem anderen Beitrag inne, demzufolge die Detroit Tigers der Stadt im Lauf der Saison Mehrwertsteuereinnahmen in erfreulicher Höhe eingebracht hätten. Und im Detroit Institute of Arts, so wurde doppelseitig und in Farbe verkündet, sollte bald eine Ausstellung über altgriechische Kunst stattfinden, die ihr Interesse weckte. Die Fotos zeigten verblasste Urnen und Amphoren, die mit den Umrissen von Göttern und Tieren geschmückt waren. Einer der Gegenstände wurde als »Büchse der Pandora« bezeichnet. Der mächtige Pithos war mit mythischen Bildern bemalt. Wissenschaftler vermuteten, dass das Gefäß selbst älter war als die Verzierung, was zu Debatten über Echtheit und Herkunft des Artefakts geführt hatte. Einige Experten behaupteten, es handele sich um Pandoras mythischen Krug, andere beharrten darauf, dass dieses Behältnis ursprünglich einem vollkommen anderen Zweck gedient hatte, möglicherweise als Urne. Eine dritte Fraktion nahm an, dass es sich lediglich um ein Stück Alltagskunst handelte, gehauen aus einem ungewöhnlichen Stein.
»Ms Kalinczyk?«
Anya blickte auf und klemmte sich die Zeitung unter den Arm. Der Wartebereich, in dem sie saß, war der Firmenzentrale von GM würdig: Topfpflanzen, moderne, chromverzierte Möbel, Pastell-Aquarell-Kunst. Keine Drucke – Originale. Ein gewaltiger Strauß Stargazer-Lilien erblühte auf dem Kaffeetisch, allerdings hatten sie eigentümlicherweise jeglichen Duft verloren. Die Empfangsdame, die vor ihr stand, war ausgestattet mit einem makellosen Designeranzug und protzte mit fünf Zentimeter langen Fingernägeln mit Airbrushmotiven, die sich offenkundig noch nie beim Tippen hatten bewähren müssen. Das ganze noble Ambiente war bei einer gemeinnützigen Organisation, die in einem unauffälligen Gebäude residierte, in einem Viertel voller Lagerhäuser, in dessen rissigen Bürgersteigen das Unkraut wucherte, vollkommen fehl am Platz. Wunder für die Massen versteckte sich hinter einer hübschen Armutsfassade, doch hinter diesem äußerlich so tristen Horizont verbarg sich ein üppiger Silberstreif. Die Klimaanlage war weit aufgedreht und verpulverte das Geld geradezu durch ihre Lüftungsöffnungen.
»Ja?«, antwortete Anya leicht ungehalten. Sie wartete bereits seit einer Stunde darauf, dass Hope Solomon endlich ihren Kaffee austrank und sich dazu herabließ, Besucher zu empfangen.
»Ms Solomon wird Sie jetzt empfangen.«
»Fantastisch.« Sie erhob sich und folgte der Empfangsdame einen pfirsichfarbenen Korridor hinunter, der mit Vollspektrumlampen beleuchtet wurde, die das Tageslicht simulierten. In diesem Pastellpalast fühlte sich Anya so fehl am Platz wie eine Krähe bei einer Gartenparty.
Die Empfangsdame öffnete eine Tür und bedeutete Anya einzutreten. Anyas Schuhe versanken in dem dichten weißen Teppichboden. Von oben strömte blendend helles Sonnenlicht in den Raum. Als ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, musterte Anya eingehend die kleine blonde Frau hinter dem gläsernen Schreibtisch. Sie trug einen rosafarbenen Hosenanzug.
»Ms Kalinczyk.« Die Frau erhob sich, streckte ihr eine Hand entgegen, an der goldene Armreifen klimperten, und schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Ich bin Hope Solomon.«
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Anya ergriff die Hand. Sie fühlte sich so kalt an wie die einer Leiche.
Und sie roch nach Magie. Nein, sie stank
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