Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
auch Klassenzimmer für den theoretischen Unterricht, Umkleideräume und Büros für die Verwaltung. Inzwischen galt die Schule als eine der besten Ausbildungsstätten für Tanz in Schweden. Diese Informationen hatte Irene der Homepage der Hochschule für Tanz entnommen, die sie sich angeschaut hatte, bevor sie von zu Hause losgefahren war.
    Punkt acht Uhr trat sie durch den Haupteingang des Hauses. Auf der einen Seite des Entrees befand sich eine Garderobe, auf der anderen eine große Cafeteria. Einige ältere Jugendliche saßen mit dampfenden Kaffeetassen lustlos um einen Tisch herum. Niemand von ihnen sah so aus, wie sich Irene eine disziplinierte Tänzerin oder einen disziplinierten Tänzer vorstellte. Gefärbte Haare und schwarze Kleidung ließen sie wie Studenten jeder beliebigen Kunstschule erscheinen. Irene fühlte sich an Jenny erinnert. Sie besuchte die letzte Klasse des Musischen Gymnasiums. Alle ihre Mitschüler sahen aus wie die jungen Leute, die um den Tisch herumsaßen. Irene fiel besonders ein bleiches Mädchen mit rosa gefärbten Haaren auf, die ihre zwei Zöpfe wie Gretchen hochgesteckt hatte. Ihr Haar war an der Kopfhaut bereits einen Zentimeter blond nachgewachsen. Neben ihr hockte ein dunkelhäutiger junger Mann, der sich beim Gähnen derart die Kiefer verrenkte, dass jeder Hals-Nasen-Ohrenarzt seine helle Freude an ihm gehabt hätte. Das bleiche Zäpfchen vibrierte vor Anstrengung. Auf dem Kopf trug er eine riesige Baskenmütze, die aus Restwolle gehäkelt zu sein schien.
    Im Korridor hing ein weißes Schild mit der Aufschrift »Verwaltung«. Aus Erfahrung wusste Irene, dass es klug war, dort anzufangen. Als sie die Tür öffnen wollte, musste sie feststellen, dass diese noch abgeschlossen war. Das galt auch für die Glastür, die in das hintere Ende des Korridors führte. Besucher kamen offenbar nicht weiter als bis zur Cafeteria.
    »Die Klingel ist kaputt. Fest klopfen, dann kommt schon jemand«, rief das Mädchen mit den rosa Zöpfen.
    Irene klopfte mit einem Finger an die Glasscheibe der Tür, und fast unverzüglich kam eine Frau die Treppe herunter. Sie trug ein hellgraues Balletttrikot und weiße, gestrickte Stulpen und entsprach in jeder Beziehung Irenes Vorstellungen von einer Tänzerin. Vermutlich war sie eine der Lehrkräfte. Das leicht ergraute, dunkle Haar war zu einem festen Knoten hochgesteckt, und die Falten ihres Gesichts verrieten, dass sie nicht mehr ganz jung war. Die Frau lächelte Irene an und ließ sie eintreten, ohne sie nach ihrem Anliegen zu fragen.
    Mangelndes Sicherheitsbewusstsein, dachte Irene, revidierte aber dieses Urteil, während sie die Treppe erklomm. Ihr war klar, dass sie weder wie eine zukünftige Schülerin noch wie eine verrückte Terroristin aussah. Vermutlich sah man ihr wie immer die Polizistin schon von weitem an.
    Die Treppe endete an einem Empfang. Irene trat auf die ältere Frau zu, die dort saß. Sie nannte ihren Namen und ihr Anliegen.
    »Marcelo Alves? Ich glaube, der Name sagt mir was, ich bin mir aber nicht ganz sicher … einen Augenblick, ich hole Gisela.«
    Leichtfüßig ging die weißhaarige Dame Richtung Korridor, klopfte an eine Tür und trat dann ein. Kurz darauf kehrte sie in Begleitung einer zierlichen, adretten Frau wieder, die mit ausgestreckter Hand auf Irene zukam.
    »Hallo. Ich heiße Gisela Bagge und bin hier im Haus des Tanzes für den Unterricht verantwortlich.«
    Sie wirkte geradezu durchsichtig. Helles, kurz geschnittenes Haar umrahmte lockig ihr Gesicht. Das Haar, die runden blauen Augen und ihr lächelnder Mund ließen Irene an einen Engel denken. Das konnte allerdings auch an dem weißen Kleid liegen. Es war aus dünner Wolle gestrickt, endete knapp über den Knien und hatte einen überweiten Rollkragen. Wäre er noch etwas weiter gewesen, wäre das Kleid über die Schultern heruntergerutscht. Um ihre schmale Taille trug sie einen breiten, elastischen Gürtel, der farblich perfekt zu ihren roten Wildlederstiefeln passte.
    »Wir gehen in mein Büro«, sagte Gisela Bagge.
    Anmutig drehte sie sich auf ihren hohen Absätzen um und ging vor Irene den Korridor entlang. Dann hielt sie die Tür ihres Zimmers auf. Es war überraschend klein, hatte aber große Fenster auf den alten Schulhof. Draußen hing der Herbstnebel schwer in den entlaubten Kronen der Kastanien. Gisela Bagge setzte sich auf ihren Bürostuhl und bedeutete Irene, auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz zu nehmen. Ohne Umschweife begann sie: »Lilly sagt, dass Sie mit

Weitere Kostenlose Bücher