Feuertanz
bedauernde Blick, den er Irene zuwarf, war deutlich genug. Nichts Weiteres fiel ihm zu jenem Abend ein, an dem sein Vater gestorben war. Irene beschloss, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Sie meinte: »Ich muss Sie jetzt auch fragen, was Sie in der Nacht auf den 16. Oktober zwischen zwei und vier Uhr morgens gemacht haben.«
Er sah nachdenklich aus und erwiderte dann: »Das war wohl der Zeitpunkt, an dem der Schuppen mit Sophie … gebrannt hat … An diesem Freitagabend habe ich bis halb acht trainiert. Dann bin ich zu Ingrids Haus gefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Ein Makler wollte sich den Hof ansehen, also am Samstag, dem darauf folgenden Tag.«
Er verstummte und sah Irene mit wachen, hellblauen Augen an, die so anders waren als die abweisenden, dunklen seiner Schwester. Oder die seiner Halbschwester, korrigierte sich Irene.
»Wann verließen Sie Björkil?«, fuhr sie mit der Befragung fort.
»Irgendwann gegen zehn. Ich habe in der Pizzeria am Björlandavägen einen Kebab gekauft und ihn gegessen, als ich nach Hause kam. Dann habe ich noch eine Weile in der Dunkelkammer gearbeitet. Aber ich war wahnsinnig müde und bin deswegen um zwölf oder halb eins ins Bett gegangen.«
»Wo liegt die Pizzeria?«
»In Brunnsbo. Pizzeria Napoli.«
Es hatte nicht den Anschein, als würde sie viel weiter kommen. Irene fand trotzdem, dass Frej ihr geholfen hatte. Sie dankte ihm für sein Kommen und versprach, sich bei ihm zu melden, sobald sich etwas Neues ergeben sollte.
Es ging auf sechs Uhr zu. Sie blieb noch eine ganze Weile sitzen und dachte über das Gespräch mit Frej Eriksson nach. Einiges war ihr klarer geworden, und auf anderes fehlte ihr immer noch eine Antwort.
Hatten sich die Geschwister an jenem Abend weder gesehen noch miteinander gesprochen? Hatten sie ein schlechtes Verhältnis gehabt? Immerhin hatten sie im selben Haus gewohnt, und zwar fast ein halbes Jahr lang. Andererseits war ihr Verhältnis seit dem Tod von Frejs Vater vielleicht getrübt gewesen. Sophie war bei ihrem Vater eingezogen, und Frej war bei Angelica wohnen geblieben. Es gab niemanden, der Frejs Alibi bestätigen konnte. Selbst wenn der Pizzabäcker sich gegen alle Wahrscheinlichkeit daran erinnern konnte, dass Frej ausgerechnet an diesem Abend in der Pizzeria gewesen war, besaß er kein Alibi für die Zeit der Brandstiftung.
Wie hatte eigentlich das Verhältnis zwischen Sophie und Marcelo ausgesehen? Laut Frej war er einfach nur einer von vielen Untermietern gewesen. Die Zeugen aus dem Park Aveny hatten jedoch alle den Eindruck gewonnen, Marcelo und Sophie seien ein Paar gewesen.
Wieso wohnte Marcelo immer noch im Haus? Danach hatte sie Frej nicht gefragt. Das hatte sie vergessen. Er hatte gesagt, dass die Tanzlehrer immer nur für kürzere Zeit dort wohnten. Fast ein ganzes Semester war doch wohl keine kürzere Zeit? Es war an der Zeit, den gut aussehenden Brasilianer genauer unter die Lupe zu nehmen.
Hannu war es am Vortag nicht gelungen, Marcelo Alves zu erreichen. Und jetzt hatte Andersson auch noch Hannu und Jonny zugunsten der Ermittlung des Bandenmordes vom vergangenen Wochenende abgezogen. Zahlreiche Verhöre waren durchzuführen, und niemand schien kooperieren zu wollen. Alle Beteiligten logen oder weigerten sich, auch nur eine Frage zu beantworten.
Irene hatte Tommy mitgeteilt, sie wolle noch versuchen, Marcelo vor Feierabend ausfindig zu machen. »Gut. Dann versuche ich, mich mit Angelica zu unterhalten. Es ist wohl an der Zeit. Schließlich sind seit dem letzten Mal fünfzehn Jahre vergangen«, hatte er mit einem verschmitzten Lächeln gesagt, das Irene keine Ruhe ließ.
Am nächsten Morgen fuhr Irene direkt nach Högsbo, um das Haus des Tanzes aufzusuchen. Dazu war nur ein kleiner Abstecher von ihrer normalen Route zur Arbeit nötig. Dieses Mekka des Tanzes, wie es in der Reklame zum neuen Semester genannt wurde, war in einem alten Schulhaus aus rotem Backstein untergebracht, das in den fünfziger Jahren erbaut worden war und nicht weit vom Axel Dahlströms Torg entfernt lag. Vor ungefähr zwanzig Jahren hatte man dann einen knappen Kilometer davon entfernt eine moderne Schule errichtet, da sich die alte nicht mehr erweitern ließ. Stattdessen waren das Haus des Tanzes und so allmählich auch die Hochschule für Tanz dort eingezogen. Nach und nach war das Gebäude umgebaut worden. Man hatte Wände eingerissen, die Decken erhöht und die wenigen übrigen Innenwände mit hohen Spiegeln verkleidet. Es gab
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