Feuertanz
fünfzig. Dann schaute sie sie mit großen Augen an und fragte atemlos: »Reicht das?«
»Nein. Ein Tiger ist recht teuer. Aber spar du nur weiter, vielleicht reicht es für einen Tiger in, sagen wir mal, zwei Jahren. Oder du kaufst dir dann etwas anderes, das du gerne haben möchtest.«
»Ein Barbiehaus!«, schlug Katarina rasch vor.
»Nee. Einen Tiger!«, erwiderte Jenny mit Nachdruck.
Katarina liebte es, mit ihrer Barbiepuppe zu spielen. Stundenlang konnte sie das lange Haar der Puppe kämmen und sie an- und ausziehen. Ihre Schwester interessierte sich überhaupt nicht für Puppen, sondern zog es vor, singend vor dem Spiegel Seil zu hüpfen. Jennys großes Idol war die Sängerin Carola.
»Mittlerweile ist sie so groß, dass sie allmählich einsieht, dass sie das Geld für einen Tiger wohl kaum jemals zusammenkriegt. Heute früh hat sie daher versucht, so lange zu brüllen, bis sie einen bekommt. Das war ganz schön übel. Alle Kindergärtnerinnen kamen angelaufen und glaubten wohl, ich hätte das arme Kind misshandelt«, seufzte Irene.
»Wie ich Jenny kenne, wird sie das mit dem Tiger schon noch hinkriegen«, erwiderte Tommy lachend.
»Bestimmt. Apropos Kinder, Andersson hat mich beauftragt, die Verhöre von Sophie Malmborg zu übernehmen.«
Tommys Lächeln verschwand, und seine Stimme klang bedrückt, während er sagte: »Das ist ein unheimlicher Fall. Weshalb hast du ihn bekommen?«
»Tja … zum einen weigert sie sich, mit Andersson und Borg zu sprechen, zum anderen bin ich ihr schließlich bereits einmal begegnet. Unmittelbar nachdem es passiert ist. Außerdem habe ich selbst Kinder.«
»Aber die Zwillinge sind doch erst vier. Sophie ist elf«, wandte Tommy ein.
»Stimmt. Aber Kinder sind Kinder, meint der Chef.«
»Verstehe. Kinder sind nicht gerade sein Ding«, befand Tommy lächelnd.
Irene verbrachte den Rest des Arbeitstages damit, die umfangreiche Akte zu studieren, die ihr der Kommissar gegeben hatte. Auch noch eine Stunde nach ihrem offiziellen Feierabend saß sie da. Sie hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen, denn ihre Mutter hatte die Zwillinge bereits um drei vom Kindergarten abgeholt. Sicher hatten sie mit ihrer Großmutter bis fünf Uhr ihren Spaß gehabt, dann war Krister von der Arbeit nach Hause gekommen. Er arbeitete Teilzeit in einem Gourmetrestaurant an der Avenyn. Er war überglücklich, den Job bekommen zu haben, obwohl er beim Vorstellungsgespräch gesagt hatte, dass er nur dreißig Stunden in der Woche arbeiten könnte. Der Besitzer war zwar erst etwas erstaunt gewesen und hatte versucht, Krister zu einer vollen Stelle zu überreden. Aber Krister hatte gemeint: »Meine Frau ist Polizistin. Nach Neujahr fängt sie als Kriminalinspektorin beim Dezernat für Gewaltverbrechen an. Dort gibt es keine Teilzeitstellen, also muss ich der Mädchen wegen weniger arbeiten.«
Danach hatte der Besitzer eingelenkt und ihn als Teilzeitkoch eingestellt.
Am Montag, dem 6. November 1989, hatte Sophie Malmborg wie immer nachmittags den Schulbus nach Hause genommen. Sie hatte es eilig gehabt, da ihre Ballettstunde um 17.15 Uhr begann. Die Mutter einer Freundin wollte beide zum Haus des Tanzes mitnehmen. Die Freundin hieß Terese Olsén und ihre Mutter Maria Olsén.
Der Schulbus hatte gegen 15.35 Uhr vor dem Lebensmittelladen gehalten. Der Busfahrer hatte Sophie zum Fahrradständer vor dem Laden gehen und ihr Rad aufschließen sehen. Vom Laden aus musste sie einen guten Kilometer weit auf einem schmalen, unbefestigten Weg radeln. Das hatte maximal zehn Minuten gedauert, wahrscheinlich weniger. Laut ihrer Mutter Angelica Malmborg-Eriksson aß sie immer rasch ein paar Butterbrote und trank dazu ein Glas Milch. Dann radelte sie mit ihrer bereits gepackten Tasche für den Ballettunterricht zurück zum Lebensmittelladen. Dort wartete Maria Olsén auf das Mädchen. Wie jeden Montag im vergangenen Jahr.
Laut Maria Olséns Aussage war Sophie Malmborg in rasendem Tempo angeradelt gekommen und mit einer geringen Verspätung eingetroffen, was ungewöhnlich war, da Sophie sonst immer zu früh war und bereits vor dem Laden auf sie wartete.
Trafen die Angaben des Schulbusfahrers zu, so war Sophie spätestens um 15.45 Uhr zu Hause gewesen. Um den Laden rechtzeitig zu erreichen, hätte sie von dort gegen 16.20 Uhr oder – wenn man ihre Verspätung berücksichtigte – vielleicht eher um 16.25 Uhr wieder aufbrechen müssen. Was hatte sich zu Hause ereignet? Niemand wusste es. Niemand außer
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