Feuertanz
hielt den Atem an.
Der einsame Flötenton kehrte zusammen mit dem Licht der Dämmerung zurück. Die Teilnehmer des Gastmahls erwachten und reckten sich. Es dauerte eine Weile, bis die Wächterin entdeckte, was geschehen war. Verzweifelt begann sie, um den Turm herum Sprünge zu vollführen, und bald hatten sich alle zu ihr gesellt. Die Wächterin fand dann den friedlich schlafenden Prinzen, der zärtlich seine leere Flasche im Arm hielt. Resolut zog sie ihn hoch. Sie versteckte ihn unter dem weiten Rock der Königin. Dann legte sie ihr den großen Umhang über die Schultern, um ihn noch besser zu verbergen. Die List gelang, denn keinem der Gäste schien aufzufallen, wie der Prinz von den beiden Frauen fortgebracht wurde. Kurze Zeit später kehrten die Wächterin und die Königin mit dem Prinzen in ihrer Mitte zurück.
Die Teilnehmer des Gastmahls legten der Königsfamilie dünne, bunte Tücher um Schulter und Taille. Alle tanzten im Kreis, und die Tücher wogten in einem schönen, farbenfrohen Schauspiel um sie herum. Es herrschte eine geradezu ausgelassene Stimmung.
Ein Tänzer nach dem anderen verließ dann die Bühne. Schließlich war nur noch die Prinzessin übrig. Lina tanzte ein Solo. Ihr rosa Haar und ihr buntes, üppiges Kostüm wirbelten über die Bühne, und sie strahlte eine enorme Kraft aus. Irene hatte noch nie einer Ballettaufführung beigewohnt, aber ihr war klar, dass Lina ungemein begabt sein musste.
Plötzlich erlosch das Licht wieder. Die drei Capoeira-Tänzer sprangen mit brennenden Fackeln auf die Bühne und knieten sich dann in der Mitte hin. Lina stellte sich vor sie, streckte ein Bein seitlich weit nach oben und die Arme über den Kopf. Vor dem Hintergrund der flackernden Fackeln war sie nur als Silhouette zu erkennen. Das war sehr effektvoll. Die Tänzer verharrten in ihren Positionen, nachdem die Musik verstummt war. Hinter den Fackelträgern tauchten dann die beiden anderen schwarzen Gestalten auf. Die Fackeln wurden gleichzeitig gelöscht, und die Bühne versank wieder im Dunkeln.
Einige Sekunden lang war es im Zuschauerraum vollkommen still, dann brach Jubel los. Das Publikum klatschte, pfiff durch die Finger und trampelte. Auf der Bühne wurde es wieder hell, und das Ensemble erschien. Alle verbeugten sich und dankten für die Ovationen, die kein Ende nehmen wollten.
»Klasse!«, rief Katarina.
Sie klatschte wie wild und schaute verzückt auf die Bühne.
Im Zuschauerraum ging das Licht an, und das Publikum erhob sich und klatschte dabei weiter. Irene sah zum Ausgang hinüber. Angelica war auf dem Weg nach draußen. Sie war leichenblass und schien einer Ohnmacht nahe. Sie mühte sich einen Augenblick mit der Türklinke ab, ehe es ihr gelang, die Tür zu öffnen, dann wankte sie nach draußen.
Katarina blieb noch nach der Vorstellung. Offenbar wollten die Teilnehmer eine kleine Party veranstalten. Irene war nicht eingeladen und verspürte auch gar nicht den Wunsch, daran teilzunehmen. Sie machte sich also in der dunklen Novembernacht auf den Heimweg. Glücklicherweise herrschte kaum Verkehr, denn sie konnte sich kaum aufs Fahren konzentrieren.
Die Vorstellung hatte sie erschüttert. Sie war voller eindrücklicher Effekte gewesen und hatte sich sehr vom gängigen Spitzentanz unterschieden.
Zweifellos hatte der Brand in Björkil dem Feuertanz als Vorlage gedient. Auch wenn der Verlauf der Ereignisse und die Personen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten, so war doch der Plot derselbe. Unschwer war zu erkennen gewesen, dass Angelica die Königin war und Sophie und Frej die Königskinder. Und in dem Feuer war natürlich Magnus Eriksson umgekommen. Die Wächterin und die Gäste des Picknicks hatte sich Sophie vermutlich ausgedacht, um etwas Schwung in ihr Tanzmärchen zu bringen.
Gewisse Elemente des Tanzes fand Irene bemerkenswert. Königin und Königskinder hatten vor dem Brand schwarze Kleidung getragen. Erst nach dem Tod des Königs in den Flammen hatten sie sich in bunte Tücher gehüllt. Obwohl sie sich mit Tanzinterpretation nicht auskannte, schien ihr dies doch deutlich darauf hinzuweisen, dass die Familie bereits vor dem Brand unglücklich gewesen war. Akzeptierte man diese Deutung, ließ sich daraus schließen, dass Angelica und die Kinder nach dem Tod Magnus Erikssons glücklicher geworden waren. Stimmte das?
Auf Sophie traf das wahrscheinlich zu. Sie war zu ihrem Vater gezogen und schien mit diesem Arrangement recht zufrieden gewesen zu sein.
Angelica hatte
Weitere Kostenlose Bücher