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Feuertanz

Feuertanz

Titel: Feuertanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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machte sich nichts vor. Es kam auf die Hautfarbe an. Sie waren Kanaken, und ihre Kinder würden auch Kanaken sein. Es würde noch dauern, bis sich das änderte.
     
    Es ging immer noch niemand bei Ingrid Hagberg an den Apparat. Irene entschloss sich, zum Altenheim in Torslanda zu fahren. Im Telefonbuch stand »Seniorenheim Glückshügel«, und der Adresse nach musste es direkt neben dem stillgelegten Flugplatz liegen.
     
    Drei identische fünfstöckige Häuser aus gelbem Ziegel standen neben dem unbenutzten Flugplatz. Sie wirkten neu. Bislang wirkte die Umgebung noch recht ländlich, aber auf dem Flugplatzgelände und darum herum herrschte eine fieberhafte Bautätigkeit. Die Stadtväter hegten großartige Pläne für ein neues Zentrum mit Läden, Wohnungen und Versorgungseinrichtungen. Die Nachbargemeinden von Göteborg wuchsen rasch, und Torslanda war wegen seiner Nähe zum Meer attraktiv.
    Irene stellte ihren Wagen auf dem Gästeparkplatz ab. In den Beeten kauerten kleine Rosenbüsche, die sicher noch ein paar Jahre brauchten, bis sie groß und prächtig wurden. Vereinzelte Bäumchen waren angepflanzt worden. Sie standen ordentlich zwischen drei Pfosten befestigt, die kräftiger waren als die mageren Stämme. Im Novembernebel wirkte das Gelände kalt und trostlos. Vom Meer heulten die Nebelhörner in düsterem Chor.
    Irene nahm die Tüte mit Gebäck, das sie unterwegs in einer Bäckerei gekauft hatte. Bevor sie aus dem Auto stieg, knöpfte sie sich die Jacke zum Schutz vor dem Wind zu.
    Ingrid Hagberg wohnte im Aufgang 2 C, das zweite Haus vom Parkplatz aus gesehen. Die Tür war abgeschlossen, Besucher mussten unten klingeln. Laut Klingelschild wohnte Ingrid Hagberg im dritten Stock. Irene musste mehrfach klingeln, ehe eine schwache Stimme aus der Gegensprechanlage zu vernehmen war: »Bist du das, Frej?«
    Die zittrige Greisinnenstimme ließ sich nur schwer mit der energischen Frau in Einklang bringen, der Irene vor fünfzehn Jahren begegnet war. Aber wenn man bedachte, was Ingrid Hagberg alles durchgemacht hatte, war es nicht verwunderlich, dass sich auch ihre Stimme verändert hatte.
    »Hier ist Irene Huss. Ich komme von der Polizei. Erinnern Sie sich noch an mich? Wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte Irene mit möglichst herzlicher und vertrauenerweckender Stimme.
    »Ach? Wirklich?«
    Es summte, und Irene öffnete die Tür zur hellen Eingangshalle. In einem großen Fenster mit Gardinen standen Topfpflanzen. Davor befand sich eine Bank mit abwaschbarem Polster. Wie umsichtig, dachte Irene, eine Sitzgelegenheit für die alten Leute, wenn sie darauf warten, abgeholt zu werden.
    Sie stieg in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf. Langsam bewegte sich die Kabine nach oben und kam sanft zum Stehen. Irene zuckte zusammen, als eine Männerstimme verkündete: »Dritte Etage. Dritte Etage.«
    Als ihr Herz wieder ruhiger schlug, wurde ihr klar, dass der Fahrstuhl natürlich mit einer Ansage für Sehbehinderte ausgerüstet war. Eigentlich müssen sie einen vorwarnen, beispielsweise mit einer Hinweistafel, dachte Irene. Sie hatte jedoch keine Gelegenheit, weiter über sprechende Fahrstühle nachzusinnen, denn sobald sie aus dem Aufzug stieg, wurde schräg gegenüber eine Tür einen Spalt weit geöffnet.
    »Sind Sie das, von der Polizei?«, ließ sich die zittrige Altfrauenstimme durch den winzigen Türspalt vernehmen.
    »Natürlich, Frau Hagberg. Ich bin Kriminalinspektorin Irene Huss.«
    »So viele Polizisten haben mit mir gesprochen. Ich habe keine Lust mehr. Das hat keinen Sinn. Er kommt ja doch nicht ins Gefängnis.«
    »Wer kommt nicht ins Gefängnis?«, fragte Irene verwirrt und sah dabei, wie der Türspalt kleiner wurde.
    »Der Säufer, der mich angefahren hat.«
    Fieberhaft dachte Irene nach. Offenbar glaubte Ingrid Hagberg, sie wolle sich mit ihr über den Unfall unterhalten. Sie sagte rasch: »Es geht nicht um den Unfall. Ich wollte mich mit Ihnen über Magnus unterhalten. Und über Frej.«
    Das metallische Klicken einer Tür, die ins Schloss fällt, ertönte nicht. Ingrid Hagberg hielt gerade vorher noch inne und öffnete die Tür dann zögernd wieder. Diesmal war der Spalt breiter.
    »Kommen Sie halt rein«, sagte sie.
    Vorsichtig öffnete Irene die Tür und trat ein.
    Sie hatte erwartet, dass Ingrid Hagberg verändert sein würde, bekam aber trotzdem einen Schock. Die magere, gebeugte Frau, die sich schwer auf ihrem Rollator abstützte, hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der üppigen

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