Feuertanz
nach dem Tod ihres Mannes über finanzielle Probleme geklagt, aber diese Probleme hatte es auch schon vorher gegeben. Bei näherem Nachdenken waren die fehlenden Versicherungsgelder vermutlich ihr größter Kummer gewesen. Sie war ihren versoffenen Mann losgeworden, der noch dazu ein Spieler gewesen war. Obwohl es dazu wohl kaum seines Ablebens bedurft hätte. Sie hätte sich auch einfach wieder scheiden lassen können.
Frej hatte seinen Vater verloren. Wie hatte das Verhältnis von Vater und Sohn ausgesehen? Darüber wusste sie nichts. Angelica hatte damals ausgesagt, Frej sei der Tod seines Vaters sehr nahe gegangen. Deswegen sei es auch gut gewesen, dass Sophie zu ihrem Vater gezogen sei.
Irene dachte über Angelicas Reaktion auf die Premiere nach. Wenn sie nach der Premiere des Balletts ihrer verstorbenen Tochter zu Tränen gerührt gewesen wäre, hätte es niemanden gewundert. Aber wie eine ergriffene und trauernde Mutter hatte sie nicht gewirkt. Ihre Augen in dem bleichen Gesicht waren weit aufgerissen gewesen. In ihrem Blick war keine Trauer gewesen, sondern blankes Entsetzen. Ihre Finger waren steif vor Schrecken gewesen, als sie versucht hatte, die Türklinke hinunterzudrücken. Sie hatte ausgesehen, als wäre sie einem Gespenst begegnet.
Bei der Morgenbesprechung am Donnerstag diskutierten Irene und die anderen, wie mit der Ermittlungsarbeit im Fall Sophie fortzufahren sei. Der Kommissar runzelte die Stirn und meinte grimmig: »Im Augenblick haben wir jede Menge Ermittlungen. Wir müssen dem Mord an Roberto Oliviera Vorrang geben, da der Täter in Untersuchungshaft sitzt. Jetzt geht es nur noch darum, sein Alibi zu knacken.«
»Viel Glück«, murmelte Jonny.
»Was soll das denn heißen?«, fauchte Andersson.
»Ich meine, dass Milan eine harte Nuss ist. Es ist uns nicht gelungen, ihn für die Messerstecherei letzten Sommer dranzukriegen. Und dieses verdammte Alibi … Familienfest mit dreißig Personen! Knack das mal …«
Er grinste viel sagend. Andersson sah ihn finster an, aber das half nur wenig. Jonny hatte Recht. Es ließ sich kaum beweisen, dass Milan nicht auf dem Familienfest gewesen war. Obwohl es Zeugen für die Körperverletzung vom Samstag gab, war es wenig wahrscheinlich, dass sie sich melden würden. Einen gewissen Selbsterhaltungstrieb besaßen schließlich die meisten.
»Wir müssen es versuchen. Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Schwein davonkommt«, meinte der Kommissar grimmig.
»Aber es gibt doch Bilder von der Bahnhofsüberwachungskamera aus der Mordnacht«, wandte Birgitta ein.
»Klar. Er hat auch nie abgestritten, dass er mit seiner Gang dort war. Das Problem besteht darin, dass es keine Bilder gibt, auf denen Milan und das Mordopfer zusammen zu sehen sind. Wir können nicht beweisen, dass sie sich in der Mordnacht getroffen haben«, sagte Fredrik Stridh.
»Milan behauptet, gegen halb zwölf direkt vom Bahnhof zu diesem Familienfest gefahren zu sein. Der Mord wurde eine halbe Stunde später verübt. Da war Milan bereits mit seinen dreißig Zeugen zusammen«, warf Tommy ein.
»Diese verdammte Verwandtschaft, richtig! Die essen nach Mitternacht, weil das irgendein religiöses Ding ist … Ramada …« fauchte Jonny entrüstet.
»Ramadan. Der heilige Fastenmonat«, korrigierte ihn Tommy.
»Verdammter Besserwisser«, konterte Jonny und hatte ein paar Lacher auf seiner Seite.
»Die Misshandlung letzten Samstag erfolgte vor dem Haus des Opfers. Keine Zeugen«, fuhr Birgitta fort, ohne die Streitereien der anderen zu beachten.
»Anderthalb Wochen sind seit dem Mord vergangen und fünf Tage seit der Misshandlung des Zeugen. Die Spuren erkalten. Wir setzen heute und morgen alles ein, was wir haben. Irene darf sich noch bis nächste Woche mit dem Sophie-Mord beschäftigen. Hast du eine Idee, wie du weitermachen willst?«, wollte der Kommissar wissen.
Irene dachte nach, ehe sie antwortete: »Wir haben noch nicht mit Ingrid Hagberg geredet. Es wird langsam Zeit«, sagte sie schließlich.
»Okay. Du redest mit der Alten. Wir anderen nehmen uns die Kanakengang und ihre Verwandtschaft noch mal vor.«
Der Kommissar erhob sich, um deutlich zu machen, dass es an der Zeit sei, wieder an die Arbeit zu gehen. Irene blieb sitzen und betrachtete ihn nachdenklich. Ob er Felipe wohl auch als Kanaken bezeichnen würde? Wahrscheinlich. Weder Marcelo noch Felipe waren besonders dunkelhäutig, aber eindeutig dunkler als der Durchschnittsschwede. Sie
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