Feuertanz
Bauersfrau, die sie vor fünfzehn Jahren zum Kaffee eingeladen hatte. Einzig ihre großen Hände sahen fast noch so aus wie früher, obwohl auch diese dünner und klauenhafter wirkten. Vielleicht hatte sie ja noch kräftiges Haar, aber darüber ließ sich nichts sagen, da es ganz kurz geschnitten war. Über den Schädel liefen parallel zwei Operationsnarben. Das Einzige, was immer noch auf ihre frühere Leibesfülle hindeutete, war die schlaffe Haut unter dem Kinn und an den Armen. Offenbar hatte sie sehr schnell abgenommen. Ihr Hautkostüm war mehrere Nummern zu groß für den geschrumpften Körper. Auch die dunkelblaue, kurzärmlige Wolljacke mit Reißverschluss war viel zu groß. Die schwarzen langen Hosen hingen lose um ihre Beine. Breiflecken oder ähnliches zogen sich längs über ihre Jacke und Hosen.
Unbeholfen drehte sich Ingrid mit Hilfe des Rollators um und schlurfte langsam aus der kleinen Diele. Sie gelangten in einen großen Raum, der sowohl als Wohnzimmer als auch als Küche diente. Die Möbel waren neu und hübsch. Das Einzige, was sie offenbar vom Bauernhof mitgenommen hatte, war eine alte Anrichte aus Kiefernholz. Die Klappe war heruntergelassen und mit Nippes und Fotos vollgestellt. Durch eine breite Tür konnte Irene ein Bett sehen. Obwohl das Zimmer sehr sauber wirkte, hing ein beißender Uringeruch in der Luft.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Ingrid und deutete mit einem zitternden Finger auf den kleinen Küchentisch.
Irene nahm auf einem Stuhl ohne Sitzkissen Platz. Mühselig schwankte Ingrid Hagberg auf den anderen Stuhl zu und setzte sich auf das mit dunkelbraunem Cord bezogene Kissen.
»Was soll das mit Magnus? Er ist tot«, sagte sie unwirsch.
»Ich weiß. Wir haben uns kurz nach seinem Tod unterhalten. Sie haben mich damals in Ihrer Küche mit Kaffee und frischgebackenen Zimtschnecken bewirtet …«
»Sie haben bei mir rumgeschnüffelt. Wie alle anderen. Rumgeschnüffelt«, klagte Ingrid Hagberg.
»Ich war mit der Ermittlung der Brandursache befasst. Wir wussten schließlich nicht …«
»Mein Bruder … er starb.«
Mit Bestürzung sah Irene, dass Ingrid Hagberg dicke Tränen über die eingefallenen Wangen liefen. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, sagte sie: »Soll ich uns einen Kaffee machen? Ich habe Gebäck mitgebracht.«
Sie hielt die Tüte aus der Bäckerei hoch und raschelte etwas mit dem Papier. Ingrid Hagberg schluchzte noch einmal auf, dann waren ihre Tränen verschwunden.
»Die Kaffeemaschine steht neben der Spüle. Filter und Kaffee finden Sie im Schrank darüber. Die Tassen sind im Schrank daneben«, sagte sie mit klarer Stimme, die nicht im Geringsten zitterte.
Irene ging zur Küchenzeile und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Sicherheitshalber nahm sie reichlich Pulver. Es war wichtig, dass die Alte so munter wie möglich war. Diskret spülte sie die Tassen noch einmal ab, bevor sie sie auf den Tisch stellte, denn sie sahen aus, als hätte Ingrid Hagberg sie in den Schrank gestellt, ohne sie vorher gespült zu haben.
»Haben Sie keinen Zucker dabei?«, fragte Ingrid hoffnungsvoll.
»Nein.«
»Ich dachte nur … meiner ist aus. Aber auf dem Tisch steht Süßstoff. Dann müssen wir uns eben damit behelfen.«
»Nehmen Sie Milch in den Kaffee?«
»Nein«, antwortete Ingrid.
Ihre Laune hatte sich bei der Aussicht auf Kaffee und Zimtschnecken erheblich verbessert. Wie ein Kind, dem man Süßigkeiten verspricht, dachte Irene. Wahrscheinlich waren die Lichtblicke an einem Ort wie diesem dünn gesät. Obwohl alles sehr neu und freundlich wirkte.
Um etwas zu sagen, meinte Irene: »Die Wohnungen sind wirklich sehr hell und gut geschnitten. Alles wirkt hier so gepflegt. Sogar Blumen gab es unten im Eingang und eine kleine Bank …«
»Die Blumen nehmen die Schwestern aus den Wohnungen, wenn jemand stirbt. Und die Bank ist abwaschbar, falls jemand in die Hose macht. Wirklich eklig, da drauf zu sitzen«, sagte Ingrid.
Ihre Stimme klang wieder mürrisch, und Irene suchte nach einer Möglichkeit, sie abzulenken. Ihr fiel nichts Besseres ein, also fragte sie mit munterer Stimme: »Haben Sie einen Kuchenteller für das Gebäck?«
»Im obersten Fach im selben Schrank wie die Tassen«, antwortete Ingrid kurz.
Irene nahm einen großen ovalen Teller aus rosa Pressglas aus dem Schrank und legte die Schokoladen- und Himbeerteilchen und die Schnecken mit Vanillecremefüllung darauf. Sie hatte je drei von jeder Sorte gekauft, damit Ingrid auch noch etwas für ihren Abendkaffee
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