Feuertaufe für Darlene
sagen«, behauptete der Sheriff. »Es ist schrecklich, was mit Fred Cook passiert ist. Aber wie er in diese Sache rein geraten ist, ist ein Rätsel, auf das es keine Antwort gibt.«
»Antworten bekommt man nur, wenn man die entsprechenden Fragen stellt. Aber das scheint sich in dieser Stadt ja wohl niemand zu getrauen. Aus welchem Grund auch immer. Aber Sie sind sich doch wohl hoffentlich darüber im Klaren, dass das ein Verhalten ist, auch das man nicht unbedingt stolz sein kann.« Lassiter machte auf dem Absatz kehrt und verließ mit wütenden Schritten das Office.
***
Darlene hatte Moira und Betsy-Louise raus zur Farm begleitet. Auf dem Weg dorthin hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Aber Darlene hatte schnell begriffen, dass ihre Schwester am Ende ihrer Kräfte war. Deshalb hatte sie gar nicht erst versucht, die Farmerin weiter auszufragen. Stattdessen hatte sie Moira – und auch die Kleine – nach ihrer Ankunft sofort ins Bett gesteckt, wo die auch innerhalb kurzer Zeit fest eingeschlafen waren.
Darlene selbst fand in dieser Nacht kaum Ruhe.
Tausend Dinge spukten ihr durch den Kopf. Sie hatte schon nichts Gutes geahnt, als sie zu dieser Reise aufgebrochen war. Aber die Situation, die sie in Candle Rock vorgefunden hatte, übertraf sogar ihre schlimmsten Befürchtungen noch um Längen.
Moira befand sich in einer grauenhaften Situation. In ihrem Zustand war sie wohl kaum dazu in der Lage, sich und ihre Tochter durchzubringen. Nach dem Tod ihres Mannes war sie dringend auf Hilfe angewiesen. Hilfe, die sie von den Einwohnern der Stadt wohl kaum erhielt. Wenn es keine Freunde oder Bekannten für diese Unterstützung gab, mussten eben Verwandte ran. Auch wenn der Kreis der Familie nicht mehr besonders groß war.
Der Morgen dämmerte bereits, als Darlene einen Entschluss gefasst hatte.
Sie werkelte in der Küche herum, da öffnete sich die Tür, und eine zerbrechlich wirkende Gestalt, der das Leinennachthemd um den Körper flatterte, kam in den Raum geschlurft.
»Guten Morgen, Moira.« Darlene versuchte, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen, sondern möglichst fröhlich zu klingen. »Habe ich dich geweckt? Das tut mir Leid. Setz dich. Möchtest du einen Kaffee? Ich habe gerade frischen gemacht.«
»Vielen Dank.« Die Farmerin ließ sich auf die hölzerne Bank neben dem Tisch sacken.
»Wie geht es dir heute?«
»Besser. Das war die erste Nacht, in der ich mal wieder durchgeschlafen habe. In denen zuvor habe ich immer Wache gehalten. Aus Angst davor, dass sie zurückkommen könnten.«
» Sie ?!?« Darlene stellte einen Becher vor ihr ab, aus dem ein aromatischer Dampf aufstieg. »Von wem sprichst du?«
Anstelle einer Antwort nahm Moira einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Getränk. »Es war einfach furchtbar«, sagte sie schließlich mit tonloser Stimme. Ihre Augen wanderten zu der Stelle der Küche, an der ihr Mann zusammengeschlagen worden war.
»Hör zu, Moira.« Darlene legte ihrer Schwester eine Hand auf die Schulter. »Mir ist klar, dass du schlimme Dinge durchgemacht hast. Aber wenn du mir nicht endlich erzählst, was genau passiert ist, kann ich dir nicht helfen. Also, noch einmal: Was ist mit Fred geschehen?«
Die Farmerin strich sich gedankenverloren mehrmals über die Narbe an ihrem linken Unterarm, bevor sie schließlich den Kopf hob. Sie holte gerade tief Luft, als vor der Küche das Trippeln eiliger Schritte zu hören war.
Bereits wenige Sekunden später kam Betsy-Louise in den Raum gestürmt. Helle Panik stand dem Mädchen ins Gesicht geschrieben.
»Was ist denn los, Darling?«, erkundigte sich seine Mutter besorgt. »Hast du wieder schlecht geträumt?«
Betsy-Louise schüttelte den Kopf.
Dann rannte sie zum Fenster und deutete aufgeregt nach draußen. Anschließend wirbelte sie herum und floh in Moiras Arme.
»Du meine Güte. Was kann sie bloß so erschreckt haben?« Darlene näherte sich der Scheibe.
»Um Himmelswillen, pass auf, Darlene. Man kann nie wissen, was dort lauert.«
Die Blondine kümmerte sich nicht um die Warnung ihrer Schwester. An den Fensterrahmen gepresst, warf sie einen Blick in den Hof.
Schon einen Wimpernschlag später entspannte sie sich erleichtert, denn sie hatte den Reiter, der dort sein Pferd zum Stehen brachte, sofort erkannt.
Lassiter.
Nach seinem Besuch beim Sheriff war ihm klargeworden, dass sein Aufenthalt in dieser Gegend höchstwahrscheinlich einige Zeit dauern würde. Das Verhalten der Einwohner von Candle Rock,
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