Feuertaufe
Tochter, Cirilla. Die zur Zeit einzige Erbin des Älteren Blutes, die Trägerin des Lara-Gens.«
»Die einzige?«, fragte Sheala de Tancarville scharf. »Du bist dir deiner Sache sehr sicher, Enid.«
»Was meinst du?«
Sheala stand plötzlich auf, stieß mit den ringgeschmückten Fingern in Richtung der Obstschale und ließ den Rest der Früchte levitieren, wodurch das ganze Schema Francescas durcheinanderkam und zu einem bunten Wirrwarr wurde.
»Das meine ich«, sagte sie kalt und zeigte auf das Obstchaos. »Denn das sind die möglichen genetischen Kombinationen. Und so viel, wie wir wissen, sehen wir hier. Nämlich nichts. Euer Fehler hat sich gerächt, Francesca, hat eine Lawine von Fehlern ausgelöst. Das Gen hat sich zufällig offenbart, nach hundert Jahren, in deren Verlauf sich Ereignisse zugetragen haben können, von denen wir keine Ahnung haben. Geheime, verborgene, vertuschte Vorgänge. Voreheliche, außereheliche Kinder, heimliche Adoption, sogar Vertauschung von Kindern. Inzest. Rassenkreuzung, das Blut ver gessener Vorfahren, das sich in späteren Generationen wieder meldet. Zusammengefasst: Vor hundert Jahren hattet ihr das Gen in Reichweite, sogar in den Händen. Und es ist euch entglitten. Ein Fehler, Enid, ein Fehler, ein Fehler! Zu viel Spontaneität, zu viele Zufälle. Zu wenig Kontrolle, zu wenig Einflussnahme auf das zufällige Geschehen.«
»Wir hatten es«, sagte Enid an Gleanna mit verkniffenem Munde, »nicht mit Kaninchen zu tun, die man in Käfige sperren und wahlweise paaren kann.«
Fringilla, die dem Blick von Triss Merigold folgte, bemerkte, wie sich die Hände von Yennefer plötzlich um die geschnitzten Armlehnen des Sessels krampften.
Das also verbindet momentan Yennefer und Francesca, überlegte Triss fieberhaft, während sie noch immer dem Blick ihrer Freundin auswich. Berechnung. Denn es ist ja durchaus nicht ohne gelenkte Paarungen und Zucht abgegangen. Ja, ihre Pläne im Hinblick auf Ciri und den Königssohn von Kovir, so unwahrscheinlich sie erscheinen mögen, sind ja durchaus real. Sie haben das schon getan. Sie haben auf den Thron gesetzt, wen sie wollten, haben Verbindungen geknüpft und Dynastien geformt, wie sie sie brauchten, wie sie ihnen nützlich waren. Es wurden Verzauberungen eingesetzt, Aphrodisiaka, Elixiere. Könige und Königinnen schlossen plötzlich sonderbare, oft morganatische Ehen, oft entgegen allen Plänen, Absichten und Vereinbarungen. Und später gab man denen, die Kinder haben wollten, aber nicht sollten, insgeheim Mittel, die eine Schwangerschaft verhinderten. Diejenigen, die gebären sollten, aber nicht wollten, erhielten statt der erbetenen Mittel ein Placebo, Wasser mit Lakritzensaft. Daher all die unwahrscheinlichen verwandtschaftlichen Beziehungen. Calanthe, Pavetta... Und Ciri. Yennefer war darein verwickelt. Jetzt aber bereut sie es. Und zu Recht. Verdammt, wenn Geralt davon erfährt...
Sphingen, dachte Fringilla Vigo. Geschnitzte Sphingen auf den Sessellehnen. Ja, das sollte Zeichen und Wappen der Loge werden. Wissen, Geheimnis, Schweigen. Sie sind Sphingen. Sie erreichen mühelos, was sie wollen. Für sie ist es ein Kinderspiel, Kovir mit dieser ihrer Ciri zu verheiraten. Sie haben Macht. Sie haben Wissen. Und sie haben Mittel. Das Brillantkollier an Sabrina Glevissigs Hals dürfte fast ebenso viel kosten, wie die ganze Zahlungsbilanz des waldreichen und felsigen Kaedwen umfasst. Sie würden mühelos erreichen, was sie planen. Aber da gibt es einen Haken ...
Aha, dachte Triss Merigold, endlich kommt die Rede auf das, womit es hätte beginnen sollen. Auf die ernüchternde und den Eifer dämpfende Tatsache, dass sich Ciri in Nilfgaard befindet, in der Gewalt von Emhyr. Sehr weit von den hier geschmiedeten Plänen entfernt...
»Es steht außer Frage«, sagte Philippa, »dass Emhyr seit langem Jagd auf Ciri gemacht hat. Alle glaubten, es gehe um eine politische Heirat mit Cintra und den Besitz der Lehen, die das rechtmäßige Erbe des Mädchens sind. Man kann jedoch nicht ausschließen, dass es hier nicht um Politik geht, sondern um das Gen des Älteren Blutes, das Emhyr in die kaiserliche Linie einführen will. Wenn Emhyr weiß, was wir wissen, dann will er vielleicht, dass die Prophezeiung sich in seinem Geschlecht erfüllt, dass die künftige Königin der Welt in Nilfgaard geboren wird.«
»Berichtigung«, warf Sabrina Glevissig ein. »Nicht Emhyr will das, sondern die Nilfgaarder Zauberer. Nur sie konnten das Gen aufspüren und
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