Feuertaufe
uns die geschraubten Redensarten. Gib eine einfache Antwort auf eine einfache Frage.«
»Dann stell sie. Ohne geschraubte Redensarten.«
»Regis ist ein Vampir. Es ist kein Geheimnis, wovon sich Vampire ernähren. Was geschieht, wenn er ordentlich Hunger bekommt? Ja, ja, wir haben gesehen, er hat Fischsuppe gegessen, seither isst und trinkt er zusammen mit uns, ganz normal, wie jeder von uns. Aber wird er... wird er imstande sein, den Durst zu bezwingen... Geralt, muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?«
»Er hat seinen Blutdurst bezwungen, obwohl er in der Nähe war, als dir das Blut vom Kopf gelaufen ist. Als er dich verbunden hat, hat er sich nicht einmal die Finger abgeleckt. Und damals, bei Vollmond, als wir uns mit dem Mandragorastoff betrunken und in seiner Hütte geschlafen haben, hatte er eine prima Gelegenheit, uns an die Hälse zu gehen. Hast du nachgesehen, ob du Spuren an deinem Schwanenhals hast?«
»Spotte nicht, Hexer«, schimpfte Milva. »Du weißt ja mehr über Fangpire als wir. Über Rittersporn machst du dich lustig, jetzt antworte mir. Ich bin in der Wildnis großgeworden, in keine Schule gegangen, ungebildet. Ist aber nicht meine Schuld, da gibt's nichts zu spotten. Ja, es ist eine Schande, aber ich fürcht mich auch ein bisschen vor diesem ... Regis.«
»Nicht ohne Grund.« Geralt nickte. »Das ist ein sogenannter höherer Vampir. Überaus gefährlich. Wenn er unser Feind wäre, würde ich mich auch vor ihm fürchten. Aber, zum Teufel, er ist aus mir unbekannten Gründen unser Gefährte. Gerade führt er uns zum Caed Dhu, zu den Druiden, die mir helfen könnten, etwas über Ciri zu erfahren. Ich bin verzweifelt, also will ich diese Chance nutzen, nicht auf sie verzichten. Darum bin ich bereit, einen Vampir zum Gefährten zu haben.«
»Nur darum?«
»Nein«, erwiderte er mit einem gewissen Zögern, doch dann entschloss er sich zur Offenheit. »Nicht nur. Er... er verhält sich richtig. Im Lager an der Chotla, bei dem Gericht über das Mädchen, hat er nicht gezögert zu handeln. Obwohl er wusste, dass er sich damit enttarnen würde.«
»Er hat ein glühendes Hufeisen aus dem Feuer genommen«, erinnerte sich Rittersporn. »Er hat es sogar eine Zeitlang in der Hand gehalten und keine Miene verzogen. Keiner von uns könnte diesen Trick auch nur mit einer heißen Kartoffel wiederholen.«
»Er ist unempfindlich gegen Feuer.«
»Was kann er noch?«
»Er kann, wenn er will, unsichtbar werden. Er kann mit dem Blick jemanden behexen, in einen tiefen Schlaf versenken, das hat er mit den Wächtern im Lager Vissegerds gemacht. Die Gestalt einer Fledermaus annehmen und wie eine Fledermaus fliegen. Vielleicht kann er das alles nur nachts und nur bei Vollmond. Aber vielleicht irre ich mich. Er hat mich schon ein paarmal überrascht, er kann noch mehr in petto haben. Ich glaube, er ist sogar unter den Vampiren ungewöhnlich. Er gleicht sich vollkommen einem Menschen an, und das seit Jah ren. Pferde und Hunde, die seine wahre Natur wittern könnten, täuscht er mit dem Geruch der Kräuter, die er ständig bei sich hat. Und mein Medaillon reagiert auch nicht auf ihn, obwohl es das müsste. Ich wiederhole, man kann ihn nicht mit gewöhnlichem Maß messen. Nach dem Rest fragt ihn selber. Er ist unser Gefährte, es darf zwischen uns keine Vorbehalte geben, erst recht kein Misstrauen und keine Befürchtungen. Lasst uns zum Lager zurückgehen. Helft mir bei dem Brennholz.«
»Geralt?«
»Ich höre, Rittersporn.«
»Falls ... Also ich frage rein theoretisch ... Falls ...«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er ehrlich und aufrichtig. »Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde, ihn zu töten. Ich würde wirklich lieber nicht die Probe aufs Exempel machen.«
Rittersporn nahm sich den Rat des Hexers zu Herzen, er beschloss, die Unklarheiten zu klären und die Zweifel zu zerstreuen. Er tat es, sobald sie sich wieder auf den Weg machten. Und er tat es mit dem ihm eigenen Takt.
»Milva!«, rief er plötzlich während des Ritts und blickte bedeutungsvoll zu dem Vampir hin. »Du könntest mit deinem Bogen voranreiten und irgendein Hirschkalb oder einen jungen Keiler schießen. Ich hab genug, verdammt, von Beeren und Pilzen, Fischen und Teichmuscheln. Ich würde zur Abwechslung gern mal ein Stück richtiges Fleisch essen. Was hältst du davon, Regis ?«
»Wie bitte?« Der Vampir reckte den Kopf hinter dem Pferdehals hervor.
»Fleisch!«, wiederholte der Dichter deutlich. »Ich versuche, Milva zur
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